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Archivalie des Monats Dezember 2019: Weihnachten vor 150 Jahren im Hause des Rentmeisters August Fricke

Das Weihnachtsfest 1869 brachte für die Familie des Rentmeisters August Fricke allerhand Aufregung mit sich. Was sich vor 150 Jahren zutrug, schilderte seine Frau in einem Brief an ihre Tochter Friederike. So wurde uns überliefert, welch sorgenvolle Stunden die Familie verlebte – und wie sich dann am Weihnachtsmorgen doch noch alles zu Guten wendete.

August Fricke (13. April 1816 – 4. August 1881) war in Fallingbostel Rentmeister – wir würden sagen Steuereinnehmer oder Finanzbeamter. Als er in Fallingbostel wirkte, bildete das Amt Fallingbostel seit 1867, also seit der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen, mit den Ämtern Ahlden, Bergen und Soltau den (Steuer-)Kreis Fallingbostel. Für die allgemeine Verwaltung hatten im Königreich Hannover sechs Landdrosteien, die in Ämter und selbstständige Städte gegliedert waren, bestanden. Nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen blieben in der neugebildeten Provinz Hannover diese Verwaltungseinheiten zunächst bestehen; es wurden jedoch mit Verordnung vom 12. September 1867 zusätzlich die Ämter und Städte der Provinz zu Kreisen zusammengefasst, die zunächst der Finanz- und Militärverwaltung dienen sollten. Die Bezeichnung Steuerkreis war jedoch nicht amtlich; zur Erfüllung der Aufgaben des Kreises wurde vom Innenministerium jeweils einer der Amtshauptleute der zum Kreise gehörenden Amtsbezirke zusätzlich zum Kreishauptmann ernannt. Die allgemeinen Verwaltungsfunktionen verblieben bei den Ämtern. Da die Kreise der Größe nach eher mit den Landkreisen im übrigen Preußen vergleichbar waren, wurden sie insbesondere aus statistischer Sicht so wie Landkreise betrachtet.

 

In einem Gebiet wie dem (Steuer-)Kreis Fallingbostel Dienstreisen zu unternehmen, war in einer Zeit, da die Eisenbahn unsere Region noch nicht erreichte hatte, durchaus eine Herausforderung. Was August Fricke am Heiligen Abend 1869 erlebte, schilderte seine Frau am 28. Dezember ihrer Tochter Friederike, genannt Ika:

 

Meine liebe teure Ika! Gestern langte Dein vergnügter Brief hier an, und wir sehnen uns nun auch sehr nach Briefen von Deinen beiden Schwestern. Hoffentlich sind auch sie am Christabend vergnügter gewesen als wir; Vater mußte ja am 24. nach Schneverdingen, und weil das Wetter ungünstig war, und er gern am selben Abende noch wieder hier sein wollte, bat er Herrn Futtermenger um seinen alten Fuchs, der ihm auch wurde, da ja bei diesem Wetter die Leute für die Pferde nichts zu tun haben. So fuhr er in aller Frühe los, der Schnee wurde ihm den ganzen langen Weg von scharfem Winde ins Gesicht getrieben, und er hat nicht rechtzeitig in Sch. sein können, – wird darüber auch natürlich später fertig und kann abends nur noch Neuenkirchen erreichen, von wo er am ersten Festtage denn endlich nach 3 Uhr nachmittags hier anlangte – meine Angst hier kannst Du Dir denken.

 

Von 8 Uhr abends an erwartete ich ihn jede Minute, beeilte mich furchtbar, alles in Ordnung und Behaglichkeit zu haben, – die Kinder, die sich auf die Bescherung gefreut hatten, wurden langweilig, – um 9 Uhr endlich verzehrten wir unser Abendbrot einsam, – gegen 10 Uhr kamen die Kinder zu Bett, ich blieb natürlich auf – lesen konnte ich nicht – die Gedanken eilten mir immer wieder davon, so fing ich an, einen Berg Strümpfe zu stopfen, sie wurden einer nach dem anderen heil, – Vater war nicht da, – es wurde noch dies und das begonnen, – um 3 Uhr kroch ich in den Lehnstuhl und schlief ein, – als ich erwachte, war die Lampe erloschen – ich ging um 5 Uhr endlich zu Bett, erwachte vom Pochen an der Tür, denke, Vater ist da, eile hinunter, aber es war der Knecht, der sein Pferd nachsucht. Ich wußte nicht, ob ich Boten ausschicken sollte, ein Unglück schien mir gewiß, – da erschien Herr Futtermenger, der sich gedacht, daß ich mich ängstigen könnte, und stellte mir vor, daß Vater am Abend und in der Nacht sich gar nicht hätte auf den Weg wagen dürfen und nach seiner Ansicht nicht vor 2-3 Uhr ankommen könnte, – das leuchtete mir ein, und ich rüstete getrost unser Essen auf 3 Uhr an, setzte mich ans Fenster und sah immer auf den Weg hinaus – und siehe da! endlich kam Vater ganz wohlbehalten an; Adolph setzte sich statt seiner auf den Wagen, nahm stolz Peitsche und Zügel und fuhr, zu meinem Schrecken, – allein durchs Dorf zu Herrn F. Das hat ihm solches Vergnügen gemacht, daß er sehr gern ein Pferd kaufen will.

 

Nach beendigtem Essen ward unser Christbaum angezündet. Adolphs und Elisabeths Sachen lagen auf der Kommode, Gustel seine im Korbstuhle, mit Tannenzweigen geschmückt, rechts davon, – links die kleine Küche; am Eckschrank ein kleines Tischchen mit Ernst und Maries Sachen; Ernst von Dir das „Hijal“ – von den H.s eine Bilderfibel und von Adolph eine Trompete; Marie von Gevatterin Marie eine hübsche Tasche mit einem Hund und von Adolph eine Klöterbüchse; Adolph hatte dies Jahr es sehr wichtig, damit er für jeden ein Geschenk hätte. Die Kinder hatten für Vater und mich ein ganz kleines Bäumchen geschmückt; Vater bekam Zeichnungen und Zigarren; ich … von Helene und Wilhelmine gehäkelte Spitzen, Stulpen und ein gehäkeltes Schutztuch, niedliche Arbeiten; von Emmi einen reizenden Kragen, von den Kindern hier ein Stück Seife, vom Mädchen einen Katzentrog. Elisabeth bekam eine Puppe von Hanne und Theo von Steuber.