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Archivalie des Monats Oktober 2015: Artesischer Brunnen am Rathaus

Die geologische Beschaffenheit Bad Fallingbostels mit Anhöhen und dem Böhmetal verleiht der Stadt nicht nur ein landschaftlich reizvolles Aussehen, sondern ist auch die Voraussetzung für das Vorhandensein von artesischen Brunnen. Einer wurde bei der Anlegung des Lieth-Freibades erbohrt, ein anderer befindet sich am Rathaus.

Was es mit dem artesischen Brunnen auf sich hat, versuchte „Das Pfennig-Magazin der Gesellschaft zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse" in der Nr. 1 vom 4. Mai 1833 so zu erklären: „Jedermann weiß, daß man, wenn man an gewissen Stellen eine tiefe Öffnung in die Erde macht, wo Niemand je eine Spur von einer Quelle bemerkt hat, endlich zu einer Erdschicht gelangt, wo Wasser im Überflusse vorhanden ist. Bisweilen dringt dieß Wasser mit solcher Heftigkeit hervor, daß es sich als Springbrunnen mehrere Fuß über den Boden erhebt. Die Natur gewährt also von selbst ein glänzendes Schauspiel, welches manchem verschwenderischen Herrscher Millionen gekostet hat. Seit einigen Jahren vermehren sich in Frankreich und im südlichen Deutschlande die artesischen Brunnen, die ihren Namen von der Provinz Artois in Frankreich haben, wo sie seit langen Zeiten gewöhnlich sind. Die Nützlichkeit der artesischen Brunnen besteht nicht allein darin, daß sie reichlich Wasser geben, sondern da dieses aus großer Tiefe kommt, so ist es immer mittler Temperatur, und wohl jedenfalls brauchbarer, als aus den gewöhnlichen Brunnen." Der artesische Brunnen ist also ein durch Tiefbohrung hergestellter Brunnen, dessen Wasser selbständig unter Druck ausfließt. Zustande kommt die Druckwirkung dadurch, dass eine muldenförmige wasserführende Schicht zwischen zwei wasserundurchlässige Schichten eingebettet ist. Wenn nun die wasserführende Schicht angebohrt wird, steigt das Wasser in dem Bohrloch hoch.

Da Betriebskosten von jeher für Freibäder eine große Belastung darstellten, freute man sich in Fallingbostel über das, was die Soltauer „Böhme-Zeitung" am 28. August 1938 berichten konnte: „Die zunächst als Versuch gedachten Bohrarbeiten auf dem Grundstück der Freibadeanlage in der Lieth haben zu einem überraschenden Ergebnis geführt. Nach Hinabführung des Brunnens auf die Tiefe von 50 Meter drang ein armdicker Wasserstrahl aus der Erde, der noch derart starken Druck hat, dass die Wassertanks für die Duschen und die Wasserrutschbahn ohne künstliche Energie versorgt werden können. Außerdem wird der tägliche Frischwasserzulauf ins Badebecken und ins Planschbecken der Kinder ohne Kraftstromverbrauch selbsttätig geregelt werden."

Auch der artesische Brunnen am Rathaus, der später dann der Ortsverschönerung diente, wurde zunächst für die Wasserversorgung genutzt. 1921 hatte der Bäckermeister und Gastwirt Wilhelm Schöning eine Walsroder Sanitärfirma beauftragt, auf seinem Grundstück nach Wasser zu bohren. Er hatte sicherlich nicht damit gerechnet, dass dabei in rund 22 Metern Bohrtiefe ein artesischer Brunnen angebohrt wurde und dann eine Fontäne 30 Meter in die Höhe schoss. Um Schäden von den umstehenden Gebäuden abzuwenden, wurde die Artese in Rohrleitungen abgeführt. Auf dem Dachboden des späteren Hotels „Fallingbosteler Hof" wurde ein Wasserbehälter installiert, aus dem der gesamte Wasserbedarf des Anwesens gedeckt wurde. Der Überlauf dieses Behälters floss zur Böhme ab.

1945 rissen die Briten mit ihren Kettenfahrzeugen den Vorhof des „Fallingbosteler Hofes" auf und legten die Rohrverbindungen frei, die zur Aufrechterhaltung der Wasserversorgung wieder hergestellt wurden. Der Wasserstrom, der an Druck verloren hatte, wurde durch die unteren Räume geleitet. Da die Wassertemperatur bei 9,5 bis 10° C lag, wurde das Wasser auch durch den Schanktresen zur Kühlung geleitet.

Drei Jahrzehnte später wurde dann am Rathaus auf dem Platz des abgerissenen Sparkassengebäudes an der Ecke Vogteistraße/Kirchplatz eine kleine Grünanlage angelegt, in die ein künstlerisch gestalteter artesischer Brunnen integriert wurde. Die Pläne stammten vom Bielefelder Land- und Gartenarchitekten Främcke, der auch die Brunnenanlage entwarf: Inmitten eines aus einem einzigen Granitblocks gearbeiteten 2,9 t schweren Brunnentrogs stand ein vierarmiger bronzener Wasserspeier. Wie die „Walsroder Zeitung" am 22. März 1972 berichtete, kostete der Wasserspeier 5.000 DM, der aus einem aus dem Bayrischen Wald stammenden Granitblock gefertigte Brunnentrog 6.000 DM. Für die Grünanlage insgesamt wurden etwa 50.000 DM aufgewendet. Beschwichtigend fügte Rudolf Klessing in seinem mit dem Kürzel „-si-" gezeichneten Artikel in der „Walsroder Zeitung" hinzu: „Dieser Betrag stammt aus einer Spende, die der Stadt vor einiger Zeit gegeben wurde als Dank und Anerkennung für die unbürokratische und schnelle Arbeit der Stadtverwaltung."

Rudolf Klessing teilte den Lesern auch mit, dass ursprünglich daran gedacht worden war, an dieser Stelle einen Erweiterungsbau für das Rathaus zu errichten. Dazu kam es jedoch Anfang der 1970er Jahre nicht. Erst im November 1991 konnte der Rathausneubau bezogen werden. Der artesischen Brunnen, dessen Druck sich weiter vermindert hatte, wurde in den Rathausinnenhof verlegt. Seitdem fließt das Wasser von einem Findling mittels eines kleinen Wasserlaufs in die Böhme…