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Archivalie des Monats Februar 2015: Fallingbostel um 1900 – beschrieben auf Platt

Nicht oft trifft man beim Durchblättern alter Zeitungsjahrgänge auf plattdeutsche Texte regionalgeschichtlichen Inhalts. Umso erfreulicher ist es, dass die „Walsroder Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 21. Januar 1950 „Vambossel anno 1900" vorstellte. Auch wenn die Schreibweise des Plattdeutschen nicht durchgängig den heute üblichen Gepflogenheiten entspricht, werden diese Eigenheiten bei der Wiedergabe des nach wie vor lesenswerten Zeitungsartikels beibehalten – so zum Beispiel, wenn es „Vambossel" und nicht, wie es angemessen wäre, „Fambossel" heißt.

Vambossel anno 1900

Nu schriewt wi ninteinhunnertföftig un staht in de Mitte von dat twindigste Jahrhunnert. Wenn a dat letzte Sylvester kein alldägliches vöör sonnern een besonneret, so vöör dat vör föftig Jaaren noch veel bedüungsvoller. Damals füng een neiet Johrhunnert an. Been Anfang von een „Jubiläums-Tiet-Abschnitt" denkt man geern torüch un denkt an dei Tiet, dei nun kummt. Dabi is awer a manch een Hellkieker rinsust. Meist kummt et anners as man denkt. Dei olen Lüüd snakt oft von früer. Sei denkt geern an dat, wat vör föftig Jaaren in jüm eer Stadt – domols noch Dörp* – vöör; un dei jungen Lüüd hört geern to. – 1900 vöör dat so:

Dei Obrigkeit bestünn ut Landrat Weyersberg, Kreissekretär Peppermüller un Kreisauschußsekretär Hennies. Von düsse leevt hüde kener mehr. Trotzdem sünd sei noch nich vergäten. Ok nich dei landrätliche Kutscher Gustav Pepper, dei jaarteintelang dei Herren Landräte dörch den Kreis feuert hett. –

An dei Spitze dei Gemeinde stünn als Gemeindevorsteher Vollhöfner Heinrich Pröhl. Im Gemeindeutschuß säten mit em tohope Uhrmacher Wünning, Gastwirt Dierking, Mühlenbesitzer Rubach, Rentier Templin, Rendant Moormann, Kötner Prüser, Kötner Fritz Becker, Anbauer Wilhelm Becker, Vollhöfner Wildung , Kötner Meyer, Kötner Jürke, Vollhöfner Wildung-Idingen, Schuhmacher Quinard, Förster Wolf und H. Westermann.

Nachts so bi Klock elven rüm do köm Radloffs Heinrich up’n Plan, bewaffnet mit een lüttjen Spieß un een Tuthorn. He vöör hier Nachtwächter.** Bet moorns Klock veer posaun hei alle Stunnen in sin Horn un seggt mit sin hellen Stimmen dei Tiet an. Dat güng dörchschnittlich ganz famos. Af un an kööm et aver ok vör, dat Heinrich up sinen Weg dörch de Nacht dienstunfähig wurde. Wenn he in eene Wirtschaft Fierabendstied anseggt har, möß he erstmal eenen lüttjen näm un sine strapazierten Stimmbänner ölen. Da sorgten denn dei annern schon för. Darbi pessier et gewissermaten ok mal, dat hei to düchtig in ‘t Glas kiken dä. Dei Uppasser vör de Nacht möß dann in de Schuvkar na Hus brocht weern.

Dei Tiet vör damals doch gemütlicher as vondag. Dagsöver röp Radloffs Voder as Gemeindediener dei Bekanntmakungen ut un möß dei ca. 12 Straatenletöchten (Petroleum) reinigen un ansticken. Et wöör gornich so einfach för dei nächtliche Rau to sorgen, weil dei jungen Lüüd abends jümmer nicht in ‘t Bett finnen dän. Do harrn se doch enen Schützen-, Radfahrer-, Turn-, Gesang-, Gesellen- un Knechteverein, dei Füerwehr, den Liethklub un nah de Tiet löter den „Rauchklub dicke Wolke" un mössen abends jümmer ere Sitzungen afholen. – Ünnerkunftsschwierigkeiten harrn se dorbi nich, un wenn al Vereine an enen Abend Sitzung harrn. Geev et doch damals a dei Wirtschaften: Schlimm, Filter, Köning, Lieth-Hotel, Böhmetal, Börse, Bahnhofswirtschaft, das Bahnhofshotel, Hambruch (jetzt Denecke) un den jetzigen Fallingbosteler Hof. Tein Gasthüüse vöörn nich to wenig för Vambossel. Sei seggt jo jümmer, Vambossel vöör een feuchtet Plooster. Dat stimmt jo ok. Dei Feuchtigkeit kümmt aver nich von de veelen Wirtschaften. Dei kummt von de Bömm un dei natten Wischen. Do kummt alleen dat ganze natte Plooster von her. –

Vambossel vöör um 1900 bi dei Stadtlüüt as en reizendes Heidedörp bekannt. Dei Fremdenverkehr neum von Jaar to Jaar to. In Sommer vör föftig Jaarn wörr ok de bekannte Cirkusbesitzer Hagenbeck mit sine Fru hier. Dei Kinner seggen denn jümmers: Dei Luftschnapper sünd vedder do. –

Över dei School harrn Pastor Knoke un Kantor Hogrefe dat seggen. Jüm to Siet stünnen dei Schoolmesters Hick und Langenhoop. – Den polizeilichen Butendienst möken dei Schendarms Schilling un Stecher. Schilling vöör beritten un Stecher möß to Foot lopen. – As Auktionator vöör Uhrmaker Schorse Bühring up den Posten. Dei Gebote bi dei Versteigerungen vöörn em meistens to siech. He segg denn jümmer: „Höger rup". Sin Uhrmakergeschäft exestiert vondog noch, ok dat von Wünning. Ok wöörn to dei Tiet a dei Firmen Leiditz un Niemann do. Niemanns Opa hät sine Tiet as erster den Kunstdüngerhandel upnomen. – För dat Schönmaken bi dei Kerlslüüt wöör Denecken Gustav tostännig. Hei vöör nich nur Babier, sonnern ok Bader. Denn enen Täändoktor gave et to dei Tiet noch nich in Vambossel. Dat dä Denecken Gustav nebenbi. „Au Backe." Hei hett manch enen den Kopp twischen dei Been holen un den Kusen rut togen. – För dei sonstige Gesundheit de Lüüd sorgte Dr. Fricke fachmännisch. As Hebamme vöör Hessen Mudder do, un för dei Medikamente sorgte de Aftecker Rousset. –

Weil dei Verkehr jümmer tonähmen dä, möß dat Kriegerdenkmal, dat to Ehren för dei Gefallenen von 70/71 up den Kärkplatz errichtet un mit enen Isengitter umgäben wöör, up enen annnern Platz stellt vern.*** Nu steiht et dicht an dei Kärken. Dat Dörp het sik von domals doch bannig vergrödert. In dei Tiet 1900 vöörn hier tohopen 145 Hüüs, 1950 sünd et schon 513, dat sünd 368 Hüüs mehr. Et möß aver ok baut vern, denn 1900 harrn ve blos 1096 Invohner un hüte rund 4830.
-ner-

Anmerkungen:
* Die Stadtrechte waren Fallingbostel erst zum 1. April 1949 verliehen worden.
** Die „Instructionen für den Nachwächter in Fallingbostel" aus dem Jahr 1896 werden im März 2015 als „Archivalie des Monats" veröffentlicht.
*** Die Umsetzung des Kriegerdenkmals erfolgte allerdings erst Anfang der 1920er Jahre.