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Archivalie des Monats Februar 2019: Landchirurg Schulenbergs Erlebnisse nach der Schlacht von Waterloo

Über Fallingbostels ersten Arzt, den Landchirurgen August Friedrich Schulenberg, weiß Wilhelm Westermann in seiner „Orts-Chronik von Fallingbostel nur recht wenig zu berichten. Nicht bekannt war ihm, dass Schulenburg nach seiner Teilnahme an der Schlacht von Waterloo ein eigenartiges Erlebnis hatte.

Im ersten, 1949 erschienen Band seiner „Orts-Chronik von Fallingbostel“ berichtete Wilhelm Westermann: „Im Jahre 1818 baut der Landchirurg Schulenburg [so seine Schreibweise statt des richtigen Namens Schulenberg] das Haus Nr. 52 und der Kaufmann Zuberbier Nr. 53, heute Leiditz. Zuberbier machte hier in Fallingbostel des erste größere Ladengeschäft auf, sein Laden wies hier die ersten Schaufenster auf. Der Chirurg Schulenburg war der erste Arzt hier in Fallingbostel. Die Chirurgen gingen meist aus dem Sanitätspersonal der beendeten Kriege hervor, erwarben sich ein Patent und ließen sich dann als Landchirurgen nieder. So war es auch mit Schulenburg.“

 

Den Forschungen von Dirk Ziesing über „Das Ostfriesich-Lingen-Tecklenburgische Landwehr-Infanterie-Regiment (3. Westfälisches) in den Befreiungskriegen 1813-1815“ verdanken wir nicht nur die Mitteilung, dass Schulenberg schon Ende 1820 im Alter von 64 ½ Jahren an der Schwindsucht verstarb, sondern auch den Hinweis auf eine Anekdote, die ihm zugeschrieben wurde. Bei dem „S….g“, dessen Erlebnisse in Gerhard Andreas von Garrelts 1856 erschienenem Buch „Die Ostfriesen im deutschen Befreiungskriege“ geschildert werden, handelt es sich laut Ziesing um den späteren Fallingbosteler Landchirurgen Schulenberg. Was ihm nach der Schlacht von Belle-Alliance, wie die Preußen die Schlacht bei Waterloo bezeichneten, zustieß, beschreibt Garrelts so:

 

„Der Chirurgus S….g von unserem 3. Bataillon, ein kleiner unansehnlicher Mensch, hatte, wer weiß durch welchen Zufall, auf dem Schlachtfelde bei Belle-Aliance ein mächtig großes, brabanter Pferd erwischt, dasselbe mit einem Kürassiersattel belegt, hinter demselben ein halbes Dutzend wollene Decke aufgeschnallt, vorne aber links einen großen eisernen Topf mit Honig, rechts einen andern mit Schmalz und darüber eine ziemliche Anzahl geschlachteter Hühner befestigt, und mitten zwischen diesen Gegenständen saß das kleine Kerlchen wie ein Affe zwischen den Höckern eines Dromedars. Wo er sich in diesem Aufzuge blicken ließ, wurde er belacht und verhöhnt, weshalb er es auch vorzog, weit hinter uns zurück zu bleiben.

 

In diesem Aufzuge kam der S….g bis hinter Charleroi, und da er es nicht für passend halten mochte, mit seinem Reichthum in’s Bivouak zu kommen, legte er sich am Abend neben der Chaussee im Graben nieder, indem er sich das Pferd mit dem Zügel an beide Hände band. Am andern Morgen sehr früh ritt eine Escadron Husaren vorbei, sah den S. noch ruhig schlafen und nahm die Gelegenheit war, ihn der Mühe zu überheben, sich noch länger mit solch vielen Sachen belasten zu müssen.

 

Ein Husar schnitt die Zügel des Pferdes unbemerkt eine Handbreit über der Faust des Schläfers ab und führte das Pferd ganz ruhig mit sich. – Erst spät erwachte der Chirurgus und war nicht wenig verblüfft, sich seiner Schätze beraubt zu sehen, und langte nun zu Fuße eben bei uns an, als wir abmarschieren wollten.

 

Er erzählte sein Unglück, zeigte noch das Endchen Zügel zur Beglaubigung vor, aber wer ausgelacht und verhöhnt wurde, war S….g; wo er sich ferner sehen ließ, mußte er seine Geschichte erzählten und erregte dadurch noch lange allgemeine Heiterkeit. Man mußte diesen Mann gesehen haben – die lächerlichste Figur die man sich denken kann – und wie er nun vollends süß schlummernd im Graben lag, beide Hände zum Himmel emporgestreckt und mit einem kleinen Reste Zügels umwunden, an welchem noch vorher sein Streitroß befestigt war, mit all‘ den Reichthümern von gestern – – und nun das betrübte Gesicht nach dem Verluste, – – wahrlich, die Sache war zu komisch! – –“