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Archivalie des Monats Februar 2020: Strafsitzung vor dem Amtsgericht Walsrode im März 1949

Es dauerte nach dem Zweiten Weltkrieg geraume Zeit bis in Deutschland wieder Zeitungen erscheinen durften. Auch im Kreis Fallingbostel gab es zunächst nur Bekanntmachungsblätter der britischen Militärregierung. Sie verfügten zwar über keinen redaktionellen Teil, wie er heute von Lokalzeitungen her bekannt ist, aber die abgedruckten Berichte über Gerichtsverhandlungen werfen ein Licht auf die damaligen Lebensverhältnisse.

 

Bild vergrößern: Ersatz für die "Walsroder Zeitung" in der Nachkriegszeit: "Amtliches Verordnungsblatt" (1949)
Ersatz für die "Walsroder Zeitung" in der Nachkriegszeit: "Amtliches Verordnungsblatt" (1949)

Die "Walsroder Zeitung" hatte Anfang April 1945 ihr Erscheinen eingestellt. 1946 gab es dann die „Amtliche Bekanntmachungen und Anzeigen für den gesamten Kreis Fallingbostel im Auftrage der britischen Militärregierung“, die 1949 dann unter dem Titel „Amtliches Verordnungsblatt und Anzeigen für Walsrode und den Kreis Fallingbostel“ herauskamen. Erst ab September 1949 wurde wieder die „Walsroder Zeitung“ herausgebracht. Wie schon die Begriffe „Bekanntmachungen“ und „Verordnungsblatt“ deutlich machen, gab es keine Berichterstattung über lokale Ereignisse. Aufschlussreich sind aber die Berichte über Gerichtsverhandlungen. In der Ausgabe Nr. 16 des „Amtlichen Verordnungsblatts“ vom 12. März 1949 geht es auch um Fälle aus Mengebostel und im Lager Fallingbostel.

 

Strafsitzung vor dem Amtsgericht Walsrode.

 

Diebstähle am laufenden Band beging der Autoschlosser Fr. B. in Mengebostel. Seine diebischen Handlungen begann er Ende 1946, als er bei einem Fabrikanten in Allerhop in Dienst trat. Das Ver­trauen seines Arbeitgebers dankte er damit, daß er ihn viermal bestahl. Als er einmal aus dem Badezimmer seines Ar­beitgebers verschiedene Sachen holen mußte, eignete er sich zwei dort liegende Arbeitsanzüge an, die für die Belegschaft gekauft waren. Bei einer anderen Ge­legenheit auf dem Boden des Wirtschafts­gebäudes entdeckte er mehrere Motore und eignete sich sogleich 2 an. Er schaffte sie heimlich nach seiner Wohnung, um sie angeblich in der väterlichen Wirtschaft zu verwenden. Mit diesen beiden Mo­toren gab B. sich nicht zufrieden, sondern drang erneut in das eingefriedete Gehöft seines Arbeitgebers und stahl noch wei­tere 3 Motore. Seinem Nachbarn ent­wendete er aus der Garage 2 Scheinwerfer aus einem demontierten Pkw. Einige Zeit darauf wiederholte er in Gemeinschaft mit seinem Bruder Otto diesen Be­such und entwendete weitere Teile des Pkws. Alle gestohlenen Autoteile schaffte Fritz B. mit einem Lastwagen nach Han­nover, um sie dort in ein Autowrack einbauen zu lassen. Er wollte billig zu einem Auto kommen, um es wieder in Geld umzusetzen. Um sich legitimieren zu können, fertigte er eine schriftliche Verkaufsbestätigung unter dem Phantasie­namen „Randow“ an. Die Polizei erhielt jedoch kurz vor Abschluß des Verkaufs Kenntnis und vereitelte diesen. Der An­geklagte legte ein volles Geständnis über seine 6 Diebstähle sowie über die Ur­kundenfälschung ab. Das Gericht sah von einer Zuchthausstrafe ab und billigte ihm mildernde Umstände zu. Das Urteil lautete auf 1 Jahr und 3 Monate Gefängnis. Sein mitangeklagter Bruder Otto erhielt wegen Beihilfe zum Diebstahl eine Geld­strafe von 120 DM.

Bild vergrößern: Bericht über die Strafsitzung vor dem Amtsgericht in der Ausgabe des "Amtlichen Verordnungsblatts" vom 12. März 1949
Bericht über die Strafsitzung vor dem Amtsgericht in der Ausgabe des "Amtlichen Verordnungsblatts" vom 12. März 1949

Wegen versuchten Diebstahls und Sach­beschädigung erhielt der Dreher Sch. an­stelle von 6 Tagen Gefängnis eine Geld­strafe von 30 DM. Der Angeklagte wohnt in einer Baracke. Da Fußboden und Dach derselben schadhaft, begab er sich mit einer Axt zum Kleinbahnhof Walsrode und versuchte hier von einem abgestellten Packwagen die Blechverkleidung gewalt­sam zu entfernen, um seine schadhafte Baracke auszubessern. Bei dieser Arbeit wurde er von einem Bahnbeamten er­tappt und zur Anzeige gebracht.

 

Als Kriminalbeamte gaben sich bei einem Vergnügen im Hotel zum Kron­prinzen in Walsrode der Melkereigehilfe S. aus Löverschen und der Schlosser P. aus Walsrode aus; sie kontrollierten die Ausweise einiger Jugendlicher. Beide An­geklagten wollen an diesem Abend unter starker Einwirkung von Alkohol gestanden haben. Die bislang Unbestraften kamen mit Geldstrafen von 40 bezw. 60 DM davon.

 

Weil er ohne polizeiliche Genehmigung unsachgemäß einen Ofen aufstellte und hierdurch einen Zimmerbrand verursachte, erhielt der Angeklagte Z. aus Walsrode wegen fahrlässiger Brandstiftung 60 DM Geldstrafe.

 

Ein Besucher des Lagers Fallingbostel hatte sein Fahrrad vor einer Baracke abgestellt. Als er nach einigen Minuten zurückkehrte, war sein Rad verschwunden. Nach 6 Monaten konnte man jedoch den Dieb, einen Schlosser G., entlarven, der sich vor dem Strafrichter zu verantworten hatte. Seine Tat wollte er damit ent­schuldigen, er habe mit der Wegnahme

des Rades an dem Eigentümer nur Ver­geltung üben wollen, in der Annahme, daß dieser das von den Engländern ge­räumte Lager unberechtigt betreten habe. Ihm wurde jedoch nicht geglaubt, er er­hielt wegen Diebstahls 2 Monate Ge­fängnis.

 

Der Angeklagte D., als Volksdeutscher in Wolhynien geboren, stellte sich 1941 der deutschen Wehrmacht als Dolmetscher zur Verfügung. Nach Kriegsende kam er nach Walsrode und gab bei polizeilichen An- und Abmeldungen sowie bei Ausstellung des Personalausweises fälschlicherweise als Geburtsort „Krefeld“ an. Als Ent­schuldigung hierfür gab er an, seinen Geburtsort, der in Rußland liegt, nur aus dem Grunde nicht angegeben zu haben, weil er befürchtete, von der Besatzungs­macht nach Rußland wieder abgeschoben zu werden. Da er bei der deutschen Wehrmacht Dienst tat, hätte er dann dort mit dem Tode rechnen müssen. Das Ge­richt beurteilte sein Vergehen milde. Er erhielt 30 DM Geldstrafe.

 

Der wegen Diebstahls und Betruges be­reits vorbestrafte Schlosser P. stand wie­der vor dem Strafrichter, weil er erneut zwei Diebstähle beging. Als er sich im Flüchtlingslager in Hornburg bei seinen Schwiegereltern aufhielt, schlich er sich nachts in die Gemeinschaftsküche und stahl einer auf dem Fußboden schlafenden Flüchtlingsfrau 1 Koffer mit Lebensmit­teln und Bekleidungsstücken. Als er am andern Tage in Lübeck die Sachen gegen Lebensmittel umtauschen wollte, wurde er als Dieb entlarvt. Den zweiten Dieb­stahl beging er im Sommer vorigen Jah­res in Bomlitz, wo er nachts durch ein offenes Fenster einer Gemeinschafts­baracke stieg, im Aufenthaltsraum ein Spind eines Arbeitskameraden erbrach und hieraus eine Aluminiumdose, in der sich Ausweispapiere, 1 Sparbuch über 75 DM und 250 DM Bargeld befanden, stahl. Mit diesem Diebesgut fuhr er zum Besuch seiner Frau nach Celle, der er von dem Bargeld 100 DM schenkte. Die Papiere und das Sparbuch warf er unterwegs in einen Fluß. Mit dem übrigen Bargeld machte er Einkäufe in Celle. Das Urteil lautete auf eine Gesamtstrafe von 1 Jahr 3 Monate Gefängnis.

 

Ende Oktober mietete sich der Arbeiter M. aus Walsrode einen Lastwagen, fuhr mit diesem nach Benefeld und holte sich ohne Genehmigung aus der niederge­brannten Kreiswerkstatt Schrott, aus des­sen Erlös er den Unterhalt für seine Fa­milie bestreiten wollte. Insgesamt 5 Ton­nen Schrott schaffte er zum Lagerplatz des Produktenhändlers F. Er will mehr­mals bei dem Produktenhändler vorge­sprochen haben, um diesen von der Schrottlieferung in Kenntnis zu setzen und um Bezahlung zu bitten. Er habe jedoch diesen niemals angetroffen. Wegen dieses Vorfalls hatten sich nun M. wegen Dieb­stahls und F. wegen Hehlerei zu verant­worten. Beide Angeklagten fühlten sich unschuldig. M. erklärte, er sei der Mei­nung gewesen, der Schrott sei herrenlos und könne von jedem genommen werden. Das Gericht war jedoch anderer Auffas­sung und verurteilte ihn zu 1 Monat Ge­fängnis. Der mitangeklagte F. wurde frei­gesprochen, da er nachwies, von der gan­zen Sache nichts gewußt zu haben. -D-