Archivalie des Monats Januar 2017: Neujahr im Brauchtum der Heidmark
Der Neujahrstag ist ein besonderer Tag. Er war es in der Vergangenheit noch weit mehr als heute. Das ganze Mittelalter hindurch war es in Deutschland üblich, dass Erwachsene an ihm Geschenke austauschten. Von Gaben am Weihnachtsabend wurde dagegen erstmals um 1400 berichtet. Welche Bräuche früher in der Heidmark verbreitet waren, hat Kurt Heckscher 1938 in seinem Buch „Heidmärker Volkskunde – Volkskunde der südlichen Lüneburger Heide, nach Aufnahmen in den Landkreisen Celle und Fallingbostel" festgehalten.
Demnach übernahmen die Frauen am Tag vor Neujahr das Regiment. Von der Vesperzeit bis zu dem Augenblick, da die Hühner auf den „Wiem" flogen, hatten sie im Hause das Sagen. In der Nacht gingen dann die jungen Burschen in vier, fünf Gruppen durch die Dörfer „rundsingen". Bunt gemischt waren die kleinen Chöre - ob Bauernjunge oder Knecht, alle beteiligten sich daran. Vor den Fenstern der Kammern der Bauern stimmten sie dann das Lied „Das alte Jahr vergangen ist" an. Die Bauern baten sie herein. Schluck und Butterkuchen wurden aufgetragen oder sie bekamen ein Trinkgeld. Auch unter den Kammerfenstern der Mädchen wurde gesungen. Die ließen sich nicht lange bitten, sondern beteiligten sich auch an der Runde, zu der sie ebenfalls etwas Ess- oder Trinkbares beisteuerten. Auf die gleiche Weise brachten auch die Nachtwächter ihre Glückwünsche dar. Von den Kirchtürmen bliesen die Posaunenchöre geistliche Lieder wie „Das Jahr geht still zu Ende" oder „So nimm denn meine Hände".
Neujahr kam der „Aschenmööm", der einen Aschenbeutel auf dem Puckel trug. Er kroch auch wohl auf der Erde, so daß die Kinder bange wurden. Wer unartig gewesen war, kriegte eins mit dem Aschenbeutel um die Ohren, und dann nahm der „Aschenmööm" mit, was der Weihnachtsmann gebracht hatte. In der Neujahrsnacht sollten mit Schießen die Dämonen vertrieben werden. Schlag 12 sprang man vom Tisch, das brachte Glück. Der Tannenbaum wurde unter Abhaltung einer Hausandacht am Neujahrstage zum letztenmal angezündet. Ein besonderes Neujahrsgebäck waren die „Johrskooken" genannten Waffeln, die aus einem Teig von Roggenmehl, Anis, Seimhonig und Salz mit dem Waffeleisen hergestellt wurden. Auch an das Vieh wurde gedacht: es erhielt von allen im Jahr geernteten Früchten.
Gut zu essen und zu trinken, ausgelassen und fröhlich zu sein, erwartungsvoll oder manchmal leider auch mit einer gewissen düsteren Vorahnung dem Kommenden entgegenzusehen, verband sich schon für unsere Vorfahren mit dem Neujahrstag. Wie sie empfinden auch wir Neujahr als einen tiefen Einschnitt. Das alte Jahr ist vorbei. Was es Gutes oder Schlechtes brachte, lassen wir hinter uns. Mit dem Auftakt zum neuen Jahr scheint alles wieder offen zu sein. Die Karten werden neu gemischt, Glück und Unglück neu verteilt.