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Archivalie des Monats März 2018: Das Ortsstatut über die Reinigung öffentlicher Wege von 1913

Für uns ist es selbstverständlich geworden, dass in einer Satzung die Zuständigkeit für die Straßenreinigung innerhalb bebauter Ortsteile den Eigentümern von an öffentlichen Straßen angrenzenden bebauten und unbebauten Grundstücken übertragen wird. Das war nicht immer so. Die rechtliche Grundlage für derartige Satzungen wurde erst 1912 geschaffen. Ein Jahr später beschloss der Fallingbosteler Gemeinderat dann das Ortsstatut über die Reinigung öffentlicher Wege.

Wolfgang Ott berichtet in seinem 1978 erschienenen Buch „Die gemeindliche Straßenreinigung als Natural- und Geldlast", dass eine erste umfassende Regelung durch das preußische Wegereinigungsgesetz vom 1. Juli 1912 geschaffen wurde. Bis dahin war es sehr zweifelhaft, wer zur Ausführung der polizeimäßigen Wegereinigung verpflichtet war. (Der Begriff „polizeimäßig" bedeutet nicht, dass ein Wachtmeister oder ein Landgendarm sich um die Wegereinigung zu kümmern hatte, er beruht vielmehr noch auf dem alten Wortgebrauch. Vom 15. bis ins 17. Jahrhundert hinein verstand man unter Polizei nämlich die Regierung, Verwaltung und Ordnung, besonders eine Art Sittenaufsicht in Staat und Gemeinde und die darauf bezüglichen Verordnungen und Maßregeln.) Die Zweifel über die Zuständigkeit der Wegereinigung waren so groß, dass es in Preußen zur Klärung dieser Frage nicht weniger als fünf Gesetzesentwürfe bedurfte, die sich über einen Zeitraum von 47 Jahren erstreckten.

Das preußische Wegereinigungsgesetz vom 1. Juli 1912 regelte dann die Verantwortlichkeit eindeutig: Die Reinigungslast obliegt grundsätzlich den Gemeinden. Sie kann aber durch Ortsstatut für den ganzen Straßenraum oder für Teilbereiche den Eigentümern der angrenzenden Grundstücke und den dinglich gleichgestellten Personen übertragen werden. Eine geldliche Regelung sah das Gesetz in seiner ursprünglichen Fassung nicht vor. Wolfgang Ott verweist darauf, dass ein Gesetzesentwurf, der die Deckung der erwachsenden Unkosten durch Kommunalabgaben plante, an dem Streit der Abgeordneten über die Höhe der gemeindlichen Eigenleistung scheiterte. Erst 1933 wurde eine dem ersten Entwurf inhaltlich entsprechende Regelung in das Wegereinigungsgesetz eingefügt. Danach können die Gemeinden ihre Reinigungskosten durch „Gebühren, Beiträge oder Mehrbelastungen" decken.

Von der Möglichkeit, die Reinigungslast auf die Anlieger zu übertragen, machte der Fallingbosteler Gemeindeausschuss in seiner Sitzung am 8. September 1913 Gebrauch. Das damals verabschiedete „Ortsstatut über die Reingiung öffentl. Wege in der Landgemeinde Fallingbostel" schuf nunmehr auch für den Kreisort eine klare Regelung, die den Sonnabend zum Straßenreinigungstag machte. Das Ortsstatut kann in der handschriftlichen Fassung des Protokollbuchs des Gemeindeausschusses eingesehen werden. Nachfolgend ist es aber auch abgeschrieben.

 

Auszug aus dem Gemeindeausschussprotokoll: Ortsstatut über die Reinigung öffentlicher Wege vom 8. September 1913

 

 

Ortsstatut

Über Reinigung öffentl. Wege in der Landgemeinde Fallingbostel

Auf Grund des Beschlusses des Gemeindeausschusses vom 8. Septb. 1913 wird in Gemäßheit der Landgemeindeordnung für die Provinz Hannover vom 20. April 1859 (G. S. [= Gesetzsammlung] S. 393) und des § 5 des Gesetzes über die Reinigung der öffentlichen Wege vom 1. Juli 1912 (G. S. S. 187) folgendes Ortsstatut erlassen.

 

§. 1.

Jeder Eigentümer eines in geschlossener Ortslage des Gemindebezirks belegenen bebauten und unbebauten Grundstücks ist verpflichtet, die angrenzenden öffentlichen Wege und Straßenteile, Bürgersteige und Straßenrinnen eingeschlossen vollständig reinigen und den Unrat von jeder Reinigung sofort beseitigen zu lassen. Die Reinigung hat am Sonnabend jeder Woche zu erfolgen.

 

§. 2.

Den Eigentümern werden solche zur Nutzung oder zum Gebrauch dinglich Berechtigte gleichgestellt; denen nicht bloß eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zusteht. Den Eigentümern werden auch die Wohnungsberechtigten (§ 1093 B G. [=Bürgerliches Gesetzbuch]) gleichgestellt.

 

§. 3

Die nach § 2 Verpflichteten sind in erster Reihe, die nach § 1 Verpflichteten in zweiter Reihe zur polizeimäßigen Reinigung verpflichtet.

 

§. 4

Bei Leistungsunfähigkeit des Eigentümers ist an seiner Stelle die Gemeinde zur polizeimäßigen Reingiung verpflichtet.

 

§. 5

Liegt die Straßenreinungspflicht öffentlichen Behörden, Korporationen u.s.w. ob, so haben diese einen zur Straßenreinigung verpflichteten Verwalter zu bestellen und der Ortsbehörde namhaft zu machen.

 

§. 6.

Bei Schneefall muß jeder Reinungsverpflichtete den Bürgerstein vom Schnee freihalten bzw. in denjenigen Straßen, in welchen durchgehende gangbare Bürgersteige nicht vorhanden sind, auf dem Straßen oder Wegedamm eine hinreichende Gangbahn zur Benutzung für die Fußgänger aufwerfen und freihalten.

 

§. 7

Bei Glatteis oder sonstiger Glätte muß jeder Reinigungsverpflichtete auf dem Bürgersteige oder soweit durchgehende gangbare Bürgersteige nicht vorhanden sind, auf dem Straßen- bzw. Wegedamm eine hinreichende Gangbahn für Fußgänger mit Sand, Asche, Sägemehl oder anderem geeignetem Material bestreuen und während der Dauer der Glätte die Bestreuung unterhalten.

 

§. 8.

Die Gemeinde übernimmt für die nach § 1 und 2 Verpflichteten gegen Haftpflicht zu versichern, die sie wegen Nichterfüllung oder mangelhafter Erfüllung der denselben nach dieser Ortssatzung obliegenden Verpflichtung zur polizeimäßigen Reinigung trifft und die Prämien aus der Gemeindekasse zu zahlen.

 

§. 9

Dieses Ortsstatut tritt mit dem Tage seiner Veröffentlichung in Kraft.

 

Fallingbostel, den 8. September 1913

Der Gemeindevorsteher

gez. Kruse