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Archivalie des Monats November 2015: Gräber der Vorzeit

Wurde die Lüneburger Heide bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch als Ödnis geschmäht, so änderte sich dies, als Schriftsteller wie die beiden in Fallingbostel geborenen Brüder August (1851-1898) und Friedrich Freudenthal (1849-1929) und Maler die Heide entdeckten. Ein Motiv hatte es ihnen besonders angetan: Gräber der Vorzeit.

Ein einzelnes Steingrab und erst recht die, wie August Freudenthal schrieb, „weltberühmten Sieben Steinhäuser" waren um 1900 beliebte Motive auch für Postkarten. Die Gräber wurden als Zeugnisse „Aus der Steinzeit" oder „Aus der Bronzezeit" geschätzt. Nicht wenige Sommerfrischler sahen in ihnen den Beweis, wie geschichtlich bedeutsam die Lüneburger Heide doch sei. Sie hoben hervor, dass diese Landschaft den Eindruck mache, als habe sich seit den Zeiten von Tacitus kaum etwas verändert. Für sie stellte die Lüneburger Heide einen Gegenpol gegen die immer mehr um sich greifende Industrialisierung dar. Postkarten mit den Sieben Steinhäusern oder den beiden 1902 verschickten grafisch ansprechend gestaltenden Motiven von Gräbern aus der Steinzeit und aus der Bronzezeit waren beliebt.

Angesichts dieser Wertschätzung von Megalithgräbern schließt August Freudenthal seinen 1895 im ersten Band seiner „Heidefahrten" veröffentlichten Bericht „Ein Ausflug zum Falkenberge und den ‚Sieben Steinhäusern‘" mit einem Auszug aus Karl August Meyers Gedicht „Gräber der Vorzeit":

....... Wer holt zur Stunde
Aus diesem Gestein noch sichre Kunde?
Sieh, wie zum Fels sich Felsen lehnen,
Wie Wandrer, die nach Ruh sich sehnen.
Und säuselnd steht ein Fichtenhain,
Der schließt die heilige Dingstatt ein.
ich werfe mich an des Males Ende
Aufs Rasenlager beim höchsten Stein
Und gieße den Rest von meinem Wein
Aus in die Gruft als Totenspende.
O Häuptling, in Walhalla jetzt
Sitzt du an Wodans Tafelrunde;
Der Becher, der deine Lippen netzt,
Kreist, neu sich füllend, von Mund zu Munde,
Und Heldenlieder zum Heldenmahl
Ertönen im hohen Freudensaal....