Archivalie des Monats August 2023: Vor 125 Jahren starb August Freudenthal
Welche Bedeutung der in Fallingbostel geborene Schriftsteller, Redakteur und Herausgeber August Freudenthal hatte macht nicht nur das Denkmal in der Lieth deutlich, sondern auch die auf dem Riensberger Friedhof in Bremen befindliche Grabstelle. Als August Freudenthal vor 125 Jahren beigesetzt wurde, nahmen viele Freunde an der Trauerfeier teil. In zahlreichen Presseartikeln wurde das Wirken von August Freudenthal gewürdigt.
Als Söhne eines Maurers wurden Friedrich und August Freudenthal am 9. Mai 1849 bzw. am 2. September 1851 in Fallingbostel geboren. Während Friedrich schon in frühen Jahren zu den Großeltern nach Fintel kam, zog August erst 1862 mit den Eltern in das Heidedorf. August Freudenthal sollte Lehrer werden, doch nach dem Besuch von Seminaren und der Tätigkeit als Hauslehrer brach er 1874 aus dem vorgezeichneten Lebensweg aus, um sich als Journalist beim „Bremer Courier“ zu verdingen. 1875 wechselte er zu den verlegten „Bremer Nachrichten“. In seiner spärlich bemessenen Freizeit schrieb er zwei wenig erfolgreiche Theaterstücke, mit seinen Gedichten hatte er jedoch mehr Erfolg. Das ursprünglich niederdeutsch geschriebene, später dann von ihm selbst ins Hochdeutsche übertragene Lied „O schöne Tied, o selige Tied“ wurde vertont und sogar in Amerika gesungen. Durch die vielen kulturgeschichtlichen und volkskundlichen Informationen in den vier Bänden seiner „Heidefahrten“ gelang es ihm, „[...] für die so oft mit Unrecht geschmähte, weil verkannte Lüneburger Heide auch in weiteren Kreisen Interesse zu erwecken.“
Von herausragender Bedeutung war 1895 die Gründung der Zeitschrift „Niedersachsen – Halbmonatsschrift für Geschichte, Landes- und Volkskunde, Sprache und Litteratur Niedersachsens“ durch August und seinen Bruder Friedrich, der nach einer Reihe von verschiedenen Berufsstationen den väterlichen Hof in Fintel übernommen hatte und ebenso als Schriftsteller tätig war. Den Aufschwung von Niedersachsen zum „einflussreichsten Publikationsorgan der Heimatbewegung im niedersächsisch-norddeutschen Raum“ (Werner Hartung) erlebte August Freudenthal allerdings nicht mehr. Er starb am 6. August 1898 im Alter von nur 46 Jahren.
In einem Nachruf berichtete J. Beyer: „Wenige Tage nur lag er auf dem Krankenbette, aber die gewisse Ahnung seines Todes, die ihn mit den ersten Fieberschauern ergriffen, nahm fast stündlich zu und gewann am frühen Morgen des 6. August solche Macht über ihn, dass der Schwerkranke, nachdem er zum letztenmal mit stiller Wehmut in die herrliche aufgehende Sonne geblickt hatte, vom Lager auffuhr, um nicht im Bette, sondern draußen in Gottes freier Natur, im Bürgerpark, seine Seele auszuhauchen. Kurze Zeit darauf verstarb er in den Armen seiner geliebten Gattin.“
Auf Freudenthals Schreibtisch lagen als letzte von ihm geschriebene Zeilen die von resignierter Stimmung und Todesahnung kündenden Verse:
Was ich beginne, nichts gelingt,
Zu nichts mein armer Kopf es bringt.
Mich überläuft ein Schauer eisig kalt:
Ich werde alt!
Wohin der Frohsinn, der mich einst belebt?
Nichts lockt mich mehr, was einst ich heiß erstrebt.
Tot sind die Flammen, die mich einst durchglüht:
Ich werde müd!’
Anlässlich des Todes von August Freudenthal erschienen in drei Ausgaben der „Bremer Nachrichten“, in deren Redaktion der Verstorbene fast ein Vierteljahrhundert gearbeitet hatte, Sterbeanzeigen der Familie. Am 7. August 1898 wurde zunächst nur das Ableben bekannt geben. Am Tag darauf wurde diese Anzeige erneut abgedruckt, nun aber mit dem Hinweis darauf, dass die Beisetzung am Dienstag um 10 Uhr auf dem Riensberger Friedehof erfolgen sollte. Am 9. August, dem Tag der Beisetzung selbst wurde die Anzeige der Familie ein drittes Mal veröffentlicht, diesmal mit dem Hinweis, dass die Beisetzung „heute“ stattfinde. Zusätzlich erschien am 8. August eine Anzeige des „Bremischen Lehrervereins“, die zur Teilnahme an der Beisetzung seines „außerordentlichen Mitgliedes“ aufforderte. Die Anzeigen der Familie vom 7. und 8. August sowie jene des „Bremischen Lehrervereins“ wurden an denselben Tagen auch im „Bremer Courier“, in dem August Freudenthal zu Beginn seiner journalistischen Tätigkeit kurzzeitig angestellt war, veröffentlicht. Beide Zeitungen würdigten August Freudenthal in umfangreichen Nachrufen und berichteten ausführlich über die Beisetzung. Am Schluss dieser „Archivalie des Monats“ finden sich als PDF-Dokumente die vollständigen Berichte aus diesen Zeitungen und anderen Publikationsorganen, aus denen die folgende Schilderung zusammengetragen wurde.
Als äußerst gespannt hatte Freudenthal gegenüber Hermann Allmers sein Verhältnis zu den Bremern dargestellt, doch davon war bei der Trauerfeier am Dienstag, dem 9. August 1898 auf dem parkähnlich gestalteten Riensberger Friedhof in Bremen nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die „Bremer Nachrichten“ sprachen davon, es habe sich um eine Beerdigung gehandelt, „[...] wie wir sie selten in Bremen sehen, so groß war die Zahl der Leidtragenden. Die kleine Kapelle konnte sie lange nicht alle fassen [...].“ Nach einem Harmoniumvorspiel von Musikdirektor Engel brachte der Männergesangverein „Eintracht“ unter der Leitung des Seminarlehrers Karl Seiffert seinem langjährigen Ehrenmitglied ein Lied dar. Anschließend predigte Pastor Bock über Hebr. 11,4: „Er redet noch, obgleich er gestorben ist.“
Bock versuchte, Freudenthals in karg bemessenen Mußestunden entstandenes literarisches Schaffen zu würdigen. Vom Charakter des Verstorbenen entwarf er das Bild: „Nehmen Sie dazu sein freundliches, liebenswürdiges und entgegenkommendes Wesen, seine Lauterkeit und Aufrichtigkeit; nehmen Sie hierzu seinen frohen Sinn und seine Gemütlichkeit, seine Genussfähigkeit in Beziehung auf das, was das Leben bietet und dazu auch die ernsten Klänge, die oft durch seine Lieder sich hindurchziehen und die uns hinweisen auf die Sorgen, die er mit sich durchgekämpft hat in Bezug auf sein inneres Leben und in Beziehung auf seine äußere Existenz; nehmen Sie hinzu seine Menschenfreundlichkeit, seinen humanen Sinn: dann haben Sie ungefähr das Bild so, wie es wohl in Ihrem Herzen fortleben wird und so wie wir es festhalten wollen über Grab und Tod hinaus.“ Nach der Predigt wurde der Sarg zur Grabstelle getragen, wo Pastor Bock das letzte Gebet und den Segen sprach. Der Gesangverein „Eintracht“ nahm Abschied mit Strophen, die ein Freund zur Melodie von Freudenthals Lied „O schöne Tid, o selige Tid“ gedichtet hatte:
Nun ruht er aus im Totenschrein,
Die Leier nahm er mit hinein.
Sein Lied von Liebe, Glück und Lust
Fand Widerhall in jeder Brust.
So hat er oft die Welt entzückt,
Wohl dem, der And’re hoch beglückt.
O schöne Zeit, o sel’ge Zeit,
Wie liegst du fern, wie liegst du weit.
August Freudenthals Tod brachte seiner Familie „schwere Sorgen und Mühseligkeiten“. Freunde initiierten deshalb eine „Freudenthal-Spende“. Sie wiesen darauf hin, dass August Freudenthal „[...] namentlich in seinen letzten Jahren ein sorgenschweres, mühevolles Leben hinfristete. Im anstrengenden Berufe eines Journalisten fand er wohl sein Auskommen, aber es war ihm nicht möglich, für seine zahlreiche Familie, für seine Witwe und seine zum Teil noch unmündigen Kinder etwas zu erübrigen.“ Zu den Unterzeichnern des Aufrufs zählten neben vielen Gelehrten und Künstlern auch die Ärzte Dr. Fricke aus Fallingbostel und Dr. Schomerus aus Walsrode.
Zu den Bemühungen der Freunde, das Schaffen Freudenthals zu würdigen und für die Nachwelt wachzuhalten und zugleich die Familie zu unterstützen, zählte auch eine „Freudenthal-Gedenkfeier“, die am 11. Oktober 1898 in der Bremer „Union“ abgehalten wurde. Der dabei von Gustav Borcherding gehaltene Vortrag „Der Heidedichter August Freudenthal“ erschien als „literarische Charakterskizze“ im Druck. Mit dem Hinweis „Der Reinertrag ist für die ‚Freudenthal-Spende‘ bestimmt“, wurde er zum Preis von 50 Pfennigen verkauft. Trotz dieser Bemühungen dürften Augusts Witwe weiterhin Sorgen geplagt haben. Anna Freudenthal, geborene Wehmeyer, überlebte ihren Mann nur um sieben Jahre. Sie starb im Dezember 1905 infolge einer durch Zuckerkrankheit verschärften Tuberkulose. Dagegen starb sein Bruder Friedrich erst kurz vor seinem 80. Geburtstag 1929 in Fintel.
In den zahlreichen Nachrufen auf August Freudenthal wurde hervorgehoben, wie sehr er sich um die Entdeckung der Heide und seine niedersächsische Heimat im weiteren Sinne verdient gemacht hatte. Hermann Löns fertigte einen „Kranz für August Freudenthal“ an. Im „Hannoverschen Anzeiger“ pries er ihn als „einen der besten Söhne Niedersachsens. [...] Er hat seinen Landsleuten, den Männern und Frauen aus der plattdeutschen Ecke, zum Bewußtsein gebracht, dass es ein Vorzug ist, ein Niedersachse zu sein [...]. Kirchturmspolitiker war er nie, kein engherziger Provinzler, trotz seiner welfischen Gesinnung kein bornierter Vaterlandsländlepreiser [...], er hat stets das Gute anerkannt, was andere deutsche Stämme in ihrer Eigenart besitzen – aber er hat das Gute, was wir Niedersachsen haben – und das ist sehr viel – uns kenntlich gemacht. Das ist sein Hauptverdienst.“
Nicht nur dieser Kranz wurde für August Freudenthal geflochten. Am 6. November 1904 ließ die Gemeinde Fallingbostel am Geburtshaus ihres berühmten Sohnes eine Gedenktafel anbringen. Im „Hotel zur Lieth“ fand eine Feierstunde statt, in der Dr. Ludwig Bräutigam vom Bremer Stammtisch „Niedersachsen“, von dem die Initiative zu dieser Ehrung ausgegangen war, Freudenthals Verdienste würdigte. Aus nah und fern sollen die Festteilnehmer erschienen sein. Die sieben Jahre später vom Stammtisch „Niedersachsen“ und dem „Plattdütschen Vereen“ in Bremen ausgehende Initiative, für August Freudenthal in der Fallingbosteler Lieth ein Denkmal zu errichten, stieß bei der Gemeinde allerdings zunächst auf keine Zustimmung.
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich dann Heinrich Helberg auf eine erneute Bremer Anregung hin erfolgreich für diese Idee ein. Die Einweihung des Denkmals am 18. August 1923 gestaltete sich zu einer großen Heimatkundgebung auf der der Dichter und Pastor Diedrich Speckmann eine plattdeutsche Waldandacht hielt, Friedrich Tewes eine Weiherede sprach und auch der jetzt in Braunschweig lebende in Untereinzingen geborene Dichter Heinrich Eggersglüß das Wort ergriff. Der vom Fallingbosteler Lehrer Wilhelm Westermann geleitete Festabend fand im „Hotel zum Böhmetal“ statt. Neben Gesangsdarbietungen, Gedichtvorträgen und Volkstänzen führte der Fallingbosteler Theaterverein in Anwesenheit des Dichters Friedrich Freudenthal dessen Stück „Dat Kumma“ auf.
Das Bildnis auf der Plakette des Denkmals charakterisiert treffend August Freudenthal, über den es im Nachruf der Zeitschrift „Niedersachsen“ heißt: „Eine Kraftnatur mit einem Kinderherzen, der echte Typus niedersächsischen Volkscharakters, eine Individualität, wie sie in unserer Zeit der Dutzend- und Schablonenmenschen leider nur allzuselten geworden, das war unser August Freudenthal. Vergegenwärtigen wir uns dazu sein äußeres Bild, die populäre Persönlichkeit von hünenhafter Gestalt mit lang herabwallendem Barte, auf dem mächtigen Haupte den breitrandigen Wodanshut, in der Faust den wuchtigen Stab, mit dem er die heimatlichen Gefilde durchwandert, mit dem Auge des Dichters ihre intimen Reize erspähend und mit der Hand des liebevollen Forschers ihre Sagen und Geschichte aufzeichnend: so wollen wir August Freudenthal im Gedächtnis behalten und ihm Treue bewahren über sein frühes Grab hinaus [...].“
August Freudenthals Grab auf dem Riensberger Friedhof wurde anlässlich des 40. Todestages des Dichters 1938 vom Senat der Freien und Hansestadt Bremen in seine Obhut genommen. Die „Bremer Zeitung“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 6. August 1938: „ Der Bremer Senat hat für den verdienstvollen Heimatdichter nun neben seinem Grabe auf dem Riensberger Friedhof zu Bremen eine August-Freudenthal-Gedenkstätte angelegt und für dauernd in Schutz und Pflege übernommen. Das Garten- und Friedhofsamt hat den Gedenkstein vom Grabe, einen großen Findling aus Marmorgranit, der den Namen des Dichters trägt und an den seine Kinder ein Bronzemedaillon mit seinem Bildnisse angebracht haben, unter einer sehr schönen alten Eiche aufgestellt. Der Platz unter der Eiche ist mit Efeu, Farn und Hortensien ausgepflanzt, und die schöne, würdige Gedächtnisstätte für den Heidedichter ist außerdem mit 32 Wesersandsteinplatten eingefaßt.“ Damals lebten von August Freudenthals sieben Kindern noch fünf sowie 17 Enkelkinder und sechs Urenkel.
Allein diese Würdigung durch den Bremer Senat spricht schon dafür, dass Freudenthal keine Angst zu haben brauchte, der „Beschluss“, mit dem er sich in beiden Auflagen seiner „Gedichte“ von den Lesern verabschiedete, könne Wirklichkeit werden:
Da liegen die bunten Blätter
Als Stück von Deinem Sein;
All’ Deine Freuden und Leiden,
Du legtest sie hinein!
Was so in heiligen Stunden
Quoll aus dem Busen Dir –
Vielleicht gebraucht es der Krämer
Dereinst als – Packpapier!
Ein solches Schicksal blieb sowohl August Freudenthal wie auch seinem Bruder Friedrich erspart. Seit 75 Jahren setzt sich die heute in Soltau ansässige Freudenthal-Gesellschaft für die Pflege des Werkes der beiden in Bad Fallingbostel geborenen Brüder und die Förderung der plattdeutschen Sprache ein. Am 125. Todestag von August Freudenthal schmückten die Vorsitzende Karin Thorey und ihr Stellvertreter Dr. Wolfgang Brandes das Grab mit einer Blumenschale. Sie waren angetan von der Atmosphäre aus dem parkähnlichen Riensberger Friedhof. Hier hat August Freudenthal eine Ruhestätte gefunden, die seinem lyrischen Empfinden der Heidelandschaft entspricht.
Dokumentation
Als PDF-Dokumente zum Lesen und Herunterladen werden im Folgenden einige der in dieser "Archivalie des Monats" zitierten Zeitungsartikel und Veröffentlichungen im Volltext zur Verfügung gestellt.
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