Archivalie des Monats Juni 2024: Hermine Meyer und Carl Niemann aus Fallingbostel erhalten 1902 ein Patent für eine Mausefalle
„Mausefalle“, da denkt man heute vielleicht zunächst an das seit 1952 – lediglich mit einer Zwangspause durch die Corona-Pandemie – ununterbrochen im Londoner West-End laufende Krimistück von Agatha Christie. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist, wie unverzichtbar Mausefallen in früheren Zeiten auf Bauernhöfen, in Geschäften und in Privathaushalten waren, um sich der umtriebigen kleinen Nager zu erwehren.
Seitdem die Menschen sesshaft wurden und begannen, Felder zu bestellen, Viehzucht zu betreiben und Vorräte anzulegen, wurde die Maus für sie zu einem Feind, der durch Fressen und Verunreinigen von Nahrungsmitteln, aber auch durch das Benagen von Korn und Pflanzen große Schäden anrichten konnte. Schon im alten Ägypten versuchte man die Nahrungsfeinde zu beschwören: „Entferne dich von mir, du mit deinen nagenden Lippen!“
Erfolgversprechender als solche Bann-Formeln war sicherlich die im antiken Rom praktizierte Ausbildung von Sklaven, um Ratten und Mäuse in den Palästen und Wohnhäusern der Reichen und Mächtigen zu jagen. Schlau, wie Mäuse nun einmal sind, dürfte ein solches Verfahren aber sehr aufwendig und nicht von allzu großem, langanhaltendem Erfolg gekrönt gewesen sein.
Um rund um die Uhr automatisiert gegen die Nager gewappnet zu sein, wurde seitdem eine Vielzahl von Gerätschaften erdacht. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die verschiedensten Arten von Lebendfallen und Tötungsfallen entwickelt, mit denen einzelne Tiere oder gleiche mehrere gefangen werden konnten.
Auch Carl Niemann, der in Fallingbostel ein Geschäft für Kolonial-, Kurz- und Eisenwaren, Wein und Zigarren betrieb, hatte wohl seine Gründe, um gemeinsam mit Hermine Meyer 1909 eine Patentschrift für eine „Sammelfalle mit drehbar gelagerter Walze und darunter angeordnetem Wasserbehälter“ einzureichen.
Am 2. September 1902 wurde die Patentschrift Nr. 134066 vom Kaiserlichen Patentamt veröffentlicht. Rückwirkend trat das Patent im Deutschen Reich vom 13. Dezember 1901 an in Kraft.
Eingangs der Patentschrift wird deren Wirkungsweise skizziert: „Die vorliegende Erfindung betrifft eine Thierfalle für Massenfang, bei welcher in einem geeigneten Gehäuse mit Vorrichtung für den Zutritt der Mäuse und anderer Nagethiere ein Wasserbehälter unterhalb einer lose gelagerten wagerechten Rolle derart angeordnet ist, daß die Mäuse beim Versuch, zu der Lockspeise zu gelangen, die Rolle betreten müssen und infolge der augenblicklichen Drehung der letzteren in das Wasser fallen.“
Massenhafter Mäusetod durch Ertrinken – kaum vorstellbar, dass ein solches Verfahren in heutiger Zeit patentiert werden würde. Vor 120 Jahren war es aber durchaus „State of the Art“. Die Käuferschaft in Carl Niemanns Fallingbosteler Kolonialwarenladen werden gegen diese Methode wohl auch kaum etwas einzuwenden gehabt haben – wenn sie den funktioniert hat und sicherstellte, dass sie einwandfreie Waren erhielten.
Dass es durchaus auch sehr humane Methoden des Umgangs mit unerwünschten Mäusen gibt, hat Christian Morgenstern (1871-1914) in seinem berühmten Gedicht „Die Mausefalle“ beschrieben:
1.
Palmström hat nicht Speck im Haus
dahingegen eine Maus.
Korf, bewegt von seinem Jammer,
baut ihm eine Gitterkammer.
Und mit einer Geige fein
setzt er seinen Freund hinein.
Nacht ist's und die Sterne funkeln.
Palmström musiziert im Dunkeln.
Und derweil er konzertiert,
kommt die Maus hereinspaziert.
Hinter ihr, geheimer Weise,
fällt die Pforte leicht und leise.
Vor ihr sinkt in Schlaf alsbald
Palmströms schweigende Gestalt.
2.
Morgens kommt v. Korf und lädt
das so nützliche Gerät
in den nächsten, sozusagen,
mittelgroßen Möbelwagen,
den ein starkes Roß beschwingt
nach der fernen Waldung bringt,
wo in tiefer Einsamkeit
er das seltne Paar befreit.
Erst spaziert die Maus heraus,
und dann Palmström, nach der Maus.
Froh genießt das Tier der neuen
Heimat, ohne sich zu scheuen.
Während Palmström, glückverklärt,
mit v. Korf nach Hause fährt.
So mitfühlend mit Mäusen umzugehen, wie es das Bestreben des zart besaiteten Palmström ist, verlangt allerdings einen immensen Aufwand für den Fang einer einzelnen Maus, muss doch ein guter Freund zur Stelle sein, um einen Käfig zu bauen, der groß genug ist, damit ein Mensch darin nehmen kann, des Weiteren ist für das Anlocken des Nagetiers musikalische Begabung erforderlich und selbstredend bedarf es auch noch eines ausreichend großen Fahrzeuges, um den Käfig mit Mann und Maus in den Wald zu bringen. Für einen Kaufmann wie Carl Niemann hätte sich ein solches Verfahren als praktisch nicht durchführbar und völlig unwirtschaftlich erwiesen. Da wird ihm seine Vorgehensweise weitaus patenter erschienen sein.