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Archivalie des Monats Oktober 2024: Fallingbosteler Ärzte engagieren sich vor 70 Jahren mit einer medizinischen Broschüre für den Aufbau des Kneipp-Heilbads

Um 1950, als noch nicht einmal alle von den britischen Dienststellen beschlagnahmten Hotels und Pensionen freigegeben worden waren, entwickelten die in Fallingbostel ansässigen Ärzte eine Vision: Ihr Ort sollte Kneipp-Heilbad werden. Dazu wurden 1951 der Kneippverein gegründet, 1952 mit „Schriebers Hof“ das erste Kneipp-Sanatorium eröffnet und 1954 in einer Broschüre die medizinischen Erkenntnisse über „Die Heilfaktoren der Kneippkur“ zusammengetragen.

Bild vergrößern: Mit einer Broschüre unterstrichen die Fallingbosteler Ärzte 1954 ihre Kompetenz in Sachen "Kneipp-Kur"
Mit einer Broschüre unterstrichen die Fallingbosteler Ärzte 1954 ihre Kompetenz in Sachen "Kneipp-Kur"

Motor dieses ehrgeizigen Vorhabens war der Zahnarzt Dr. Paul Friedrich Reinwein, der den Vorsitz im Fallingbosteler Verkehrsverein führte. Er war bestrebt, den Fremdenverkehr von der relativ kurzen Saison der Heideblüte zu entkoppeln und zu einem Ganzjahresangebot auszubauen. Da es zur damaligen Zeit im norddeutschen Raum nur ein einziges Kneippsanatorium in Bad Lauterberg am Harz gab, beschloss die Gruppe seiner Mitstreiter, zu denen auch Dr. Heinz Hartung gehörte, auch auf diese Kurart zu setzen. Sie waren davon überzeugt, dass sich Fallingbostel dazu aufgrund seiner naturräumlichen und strukturellen Gegebenheiten anbot. Allerdings erforderte die Schaffung von Sanatorien und Kureinrichtungen nicht unbeträchtliche Investitionen. Von den Ärzten wurde erwartet, dass sie sich mit dem Kneippkurwesen vertraut machten und sich entsprechend in der Kneippschen Hydrotherapie fortbildeten. Der Kneipparzt Dr. Stage informierte seine Kollegen und setzte sich für eine Aufklärung der Öffentlichkeit ein.

Um sich ganz auf diese Aufgabe zu konzentrieren, wurde im September 1951 ein örtlicher Kneippverein gegründet, in dem Dr. Reinwein den Vorsitz übernahm während Tierarzt Dr. Vollmar sein Nachfolger im Verkehrsverein wurde. Mit dem Kneippbund in Bad Wörishofen wurden erfolgreiche Verhandlungen geführt, um die erforderliche Zustimmung zum Projekt zu erhalten.

Bild vergrößern: Dr. Reinwein bei der Einweihung des Kneipp-Sanatoriums "Schriebers Hof"
Dr. Reinwein bei der Einweihung des Kneipp-Sanatoriums "Schriebers Hof"

Schon am 15. März 1952 konnte durch die Familie Wünning das Sanatorium „Schriebers Hof“ als erster Kneippkurbetrieb eröffnet werden. Im Saal der Fallingbosteler Lichtspiele im Nebengebäude des „Hotels zum Böhmetal“ fand in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste der Festakt statt. Der erhoffte Erfolg stellte sich schneller als erwartet ein. Die von Anfang an vorgesehene Erweiterung von „Schriebers Hof“ musste bereits im Frühjahr 1953 erfolgen. Im Mai dieses Jahres wurde das „Kneippsanatorium Dr. Hartung“ eröffnet. Auch das traditionsreiche Haus Neupert wandelte sich zu einem Kneippkurheim. 

Bild vergrößern: Beim Festakt in den "Fallingbosteler Lichtspielen" wacht die Büste von Sebastian Kneipp über den Vertreter des Kneippbundes, Dr. Henninger, und die anderen Festredner
Beim Festakt in den "Fallingbosteler Lichtspielen" wacht die Büste von Sebastian Kneipp über den Vertreter des Kneippbundes, Dr. Henninger, und die anderen Festredner

Zu den Pionieren des Kneippwesens in Fallingbostel zählte ebenfalls die Familie von der Wroge, die die 1912 gegründete Pension „Haus am Walde“ für den Kneippkurbetrieb herrichtete. Der „Hof Unter den Eichen“, der zunächst noch Kneippgäste beherbergt hatte, die im benachbarten Sanatorium „Schriebers Hof“ ihre Anwendungen erhielten, wurde nun selbst zum Kneippkurheim. Schließlich eröffnete das von Dr. Winkelmann betriebene Kneippsanatorium „An der Lieth“ seine Pforten. Das „Hotel Köning“ – als letztes Gebäude im Stadtgebiet 14 Jahre nach Kriegsende von den Briten Anfang 1959 freigegeben – beschloss im Juni 1959 den Reigen. Die Familie Wiesemann gestaltete es zu einem „Kurhotel“ um, bei sich dem der Gast nicht in das starre Korsett eines Sanatoriums gezwängt fühlen sollte, sondern frei über seine Zeit und die von ihm gewünschten Anwendungen entscheiden durfte.

Bild vergrößern: Innentitel der Broschüre der Fallingbosteler Ärzte aus dem Jahr 1954
Innentitel der Broschüre der Fallingbosteler Ärzte aus dem Jahr 1954

Wie engagiert sich die Ärzteschaft für das Kneippwesen einsetzte, unterstreicht eine kleine Broschüre, die 1954 unter dem Titel „Die Heilfaktoren der Kneipp-Kur“ die „Gedanken und Erfahrungen aus der Praxis der Badeärzte des Luft- und Kneippkurortes Fallingbostel“ zusammentrug. Als Scan kann die mittlerweile 70 Jahre alte Schrift aufgerufen werden.

 

 

Die von den Ärzten mit der Broschüre unterstrichene Expertise in Sachen Kneipp-Kur trug Früchte. Am 29. November 1954 erhielt Fallingbostel durch den Deutschen Bäderverband die offizielle Anerkennung als Kneippkurort. Damit wurden die in Fallingbostel durchgeführten Kuren beihilfefähig, so dass sich durch Zuschüsse der Krankenkassen die Kosten für die Patienten reduzierten. Gut zwei Jahrzehnte später erhielt die Kreisstadt dann am 28. Dezember 1976 die Anerkennung als staatliches Kneipp-Heilbad.

Da im Laufe der Zeit die Inanspruchnahme von Kneippkuren in Bad Fallingbostel stark rückläufig war und die von der Familie von Graevemeyer 1975 gegründete erfolgreiche Klinik Fallingbostel mit ihren rund 300 Betten andere Schwerpunkte setzte, entschied sich der Stadtrat, in diesem Bereich kein Geld mehr zu investieren. Dies hatte zur Folge, dass 2015 das Prädikat Kneipp-Heilbad verlustig ging.

01.10.2024