Archivalie des Monats Januar 2025: Das arbeitsreiche Leben der Rieper Bauern um 1860
Wie schwer das Leben auf dem Lande in früheren Zeiten war, hat Hermann Bartels in seiner 1925 erschienen „Geschichte der Schulgemeinde Woltem-Riepe und ihrer Familien“ beschrieben. Diesem Buch sind die nachfolgende Darstellung und die Abbildungen entnommen.
Die gute, alte Zeit hat manches Schöne, doch auch ihre Kehrseiten. Hart, arbeitsschwer und genügsam lebte der Bauer. In der Zeit um 1860 stand er im Winter mit seinen Leuten um ½ 4, spätestens um 4 Uhr auf der Dreschtenne. Im rhythmischen Takt klangen die Dreschflegel. Eine oder zwei Lagen mußten erst vollständig ausgedroschen sein, bevor man die erste Mahlzeit einnahm. Jeder, der den Flegel kräftig geschwungen hatte, konnte dann mit gesundem Appetit an das Morgenbrot gehen. Es gab saure Buttermilchgrütze mit trockenem Schwarzbrot. Der Großknecht schnitt jedem eine Scheibe ab. Dieselbe hatte jeder zu verzehren, damit der größte Hunger gestillt wurde. Dann gab es hinterher Pfannkuchen oder Bratkartoffeln. Zum Schlusse konnte sich noch der Hungrige ein Schwarzbrotbutterbrot bereiten, wozu man Kornkaffee trank. Feinbrot gab es nur des Sonntags. Die Branntweinflasche stand bereits bei der ersten Mahlzeit auf dem Tische. Infolge des großen Branntweinverbrauches kaufte der Bauer denselben auch gleich im großen ein. In jedem Keller lagerte ein Faß, welches in der Regel 80 Liter enthielt. Was außer dem Dreschen noch gearbeitet wurde, ist nicht sonderlich erwähnenswert, da die Beschäftigung der heutigen glich. In der Dämmerzeit wurden auf einem Gestell Roggengarben ausgeschlagen. Jeder Mann, der nicht durch Futterarbeit Abhaltung hatte, mußte hierbei helfen. Nachdem die Garben sorgfältig ausgeschlagen waren, legte man das Stroh den Schafen in die Raufe, damit diese noch die letzten Körner heraussuchten bzw. die Aehren abfraßen. Dann wurde das Stroh, welches infolge dieses Verfahrens nicht zerquetscht worden war, fein säuberlich aufgebunden, um als Dachstroh Verwendung zu finden. Diese Arbeit zog sich bis abends 8 – ½ 9 Uhr hin. Abends gab es fast immer Bratkartoffeln, Pfannkuchen und dicke Milch mit über dem Feuer geröstetem Schwarzbrot, welches in die Milch gebrockt wurde.
Die Hauptarbeit der Mädchen war im Winter das Spinnen und Weben. Die tägliche Arbeitsleistung war hoch gestellt, daß hurtig die Windel schnurren mußte. Die großen wohlgefüllten Leinenschränke unserer Häuser enthalten noch manches kunstvolle Gewebe aus Urgroßmutters Tagen.
Sobald es im Frühling die Witterung erlaubte, begann das Pflügen. Dann stand man um 3, spätestens um 4 Uhr auf, und der Futterknecht zog mit den Ochsen aufs Feld zu genannter Arbeit. Ein Vollhof hatte vier Ochsen (zwei Gespanne). Das Hintere Gespann leitete der recht durch die Leine, das vordere wurde von einem Knaben angetrieben. Bevor die Arbeit begann, verzehrte der Knecht eine Scheibe Schwarzbrot mit Schmalz bestrichen und trank seinen Branntwein dazu. Die Kinder gingen meistens nüchtern an die Arbeit. Man Fand es ganz natürlich, wenn auch schon größere Knaben ihren Schnaps tranken. Das Tageslicht war infolge der frühen Stunde oftmals noch so schwach, daß weder Knecht, noch Junge, noch Ochse ohne Mühe die Furche erkennen konnten. Die Arbeit des Pflügens wurde bis etwa 2 Uhr fortgesetzt. Dann ging es heim zur Morgenkost, und der Ochsentreiber nahm wohl seinen Schulranzen, um sich in der Schule mit der schwierigen Kunst des Schreibens, Rechnens und Lesens zu befassen. Bis 1866 war wöchentlich zweimal je drei Stunden des Morgens Unterricht, für die Hütejungen nur zweimal wöchentlich je eine Stunde.
War die Tageshitze vorüber, zog man noch einmal zum Pflügen hinaus. Die Arbeit wurde bis 8 Uhr, bei Mondschein zuweilen bis 2 Uhr fortgesetzt. Jeder Hof hatte ein Ochsenschauer. In diesem Gebäude waren die Ochsen untergebracht. Sie waren auch bezüglich der Pflege dem Futterknecht anvertraut. Alle schweren Zieharbeiten rußten die Tiere leisten. Mit den Pferden führte man nur die leichteren Arbeiten aus. Mit ihnen trieb der Bauer gerne Handel. Mancher Pferdetausch und -kauf ist von unsern Alten auf dem Celler Pferdemarkt abgeschlossen worden. Bald kam die Zeit des Mähens heran. Die Mäher zogen um 2 Uhr des Morgens hinaus. Nach einstündiger Arbeit verzehrte man um 3 Uhr das mitgenommene Morgenbrot, welches aus Schwarzbrot mit Schmalz bestand. Dazu konnte jeder Branntwein nach Belieben trinken. Gegen 2 Uhr kamen die Mädchen, um bei der Heubereitung zu helfen, sie brachten das Frühstück mit, bestehend aus Buttermilchgrütze, Pfannkuchen und Butterbrot. Um 9 Uhr aßen alle gemeinsam Frühstück, welches aus Speck, Brot und Butter bestand. Dem Branntwein wurde wieder gut zugesprochen, selbst die Mädchen verschmähten ihn nicht. Das Mähen wurde bis 2 ½ Uhr fortgesetzt. Dann folgte das Mittagessen, ähnlich dem von deute. Am Nachmittage waren alle Kräfte zum Einfahren nötig. Zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags aß man Vesper. Dazu gab es Speck, Brot, Kornkaffee und Branntwein. (Abendbrot wie bereits erwähnt). In derselben Weise gestaltete sich auch der Verlauf bei der Kornernte. Eine bestimmte Feierabendstunde gab es nicht. Jeder Bauer arbeitete in dieser arbeitsreichen Feit so lange wie möglich, daß wohl erst um 9 oder sogar um 10 Uhr die Hand vom langen, schweren Tagewerk ablassen konnte. Die großen Anforderungen mußten alle mit der Hand geleistet werden, so daß die Zeit wirklich kostbar war und ausgenutzt werden mußte. Schon die Kinder wurden von frühester Jugend an an jegliche Arbeit gewöhnt. Wie viel leichter und angenehmer hat es doch infolge der gewaltigen maschinellen Leistungen unser heutiges Geschlecht.
Und trotz des ewigen Mähens und Plagens waren die finanziellen Verhältnisse der Bewohner nur recht mäßig. Es war kein Handel und Umsatz vorhanden. Ein Pfund Butter kostete in Visselhövede beim Krämer 40 Pfennig, wenn man Waren von demselben kaufte, sonst war die Butter nicht einmal zu verkaufen. Erst nach 1866 und besonders nach 1870 fand ein wirtschaftlicher Aufschwung statt. Der Postbote erschien hier jeden dritten Tag. Er machte zu Fuß die Runde von Fallingbostel über Kroge, Klein Harl, Bommelsen, Woltem, Frielingen, Eitze, Springhorn, Avenriep, Riepe, Neddenriep, Amtsseide, Dehnbostel und zurück nach Fallingbostel.