Archivalie des Monats Februar 2025: 50 Jahre »Klinik Fallingbostel«
50 Jahre ist es her, dass die Kreisstadt mit der „Klinik Fallingbostel“ eine medizinische Einrichtung erhielt, die sich seitdem überregional einen überaus guten Ruf mit ihren Reha-Maßnahmen erworben hat. Aber auch die Bad Fallingbosteler wissen die Klinik als vorbildlichen Arbeitgeber und mit Angeboten, die auch von ihnen genutzt werden können, zu schätzen.
Vor 200 Jahren war es um die Professionalisierung des Gesundheitswesens in Fallingbostel – wie in vielen Orten der Lüneburger Heide – nicht sehr gut bestellt. Da wurde im Zuge der Selbstmedikation angewendet, was Kurt Heckscher für seine 1938 erschienene „Heidmärker Volkskunde“ von alten Heidjern aus den Kreisen Fallingbostel und Celle als Heilmittel erzählt bekommen hatte: „Bi’n hexenschuß mut man sik mit’n bûk up’e êr leggen un kinner up’t krüz trêën laten, jümmer von’n nacken na’n hinnersten“ (Beim Hexenschuss muss man sich mit dem Bauch auf die Erde legen und Kinder auf’s Kruez treten lassen, immer vom Nacken nach dem Hintern). Oder es wurde der Rat befolgt: „Drê kastânjen in’e tasche holt rhematismus af“ (Drei Kastanien in der Tasche halten Rheumatismus ab).
Erst im Jahr 1818 ließ sich der Landchirurg Schulenburg in dem damals gerade einmal über 340 Einwohner zählenden Ort Fallingbostel nieder. Schulenburg war wie die meisten Chirurgen seiner Zeit aus dem Sanitätspersonal der beendeten Kriege hervorgegangen und hatte dann ein Patent erworben. Die Bezeichnung „Landchirurg“ machte deutlich, dass Schulenburg nicht nur am Ort praktizierte, sondern im weiten Umkreis „über Land“ Patienten aufsuchte und Auswärtige in seiner Praxis behandelte.
Das traf auch auf seinen Nachfolger Doktor Bock zu, dessen medizinische Ausbildung, wie der akademische Grad nahelegt, wohl umfassender als die des Landchirurgen Schulenburg gewesen sein dürfte. Das Gebiet von Doktor Bocks ärztlicher Praxis dehnte sich von Visselhövede bis Bergen, von Wietzendorf bis in die Allermarsch aus. Auf seinen Krankenfahrten wurde er vom Barbier Denecke begleitet, der die Funktion des „Ilensetters“ übernahm – spielte der Blutegel doch beim damals noch häufig praktizierten Aderlass eine große Rolle.
Im Laufe der Zeit erhöhte sich die Zahl der Ärzte erheblich. Aber nicht nur die Fallingbosteler selbst profitierten von der verbesserten medizinischen Betreuung, auch die Gäste aus den Großstädten Hamburg, Hannover und Bremen, die nach der Eröffnung der Eisenbahn 1896 in erfreulich großer Zahl in das „Paradies der Heide“ kamen, nutzten das Angebot. Dementsprechend inserierte Dentist Sondermeyer, der sich im März 1910 als erster Zahnoperateur in Fallingbostel niedergelassen hatte, auch in den Reiseführern für „Fallingbostel und Umgebung“.
Ein Zahnarzt war es dann auch, der sich für die Verbindung von Medizin und Fremdenverkehr einsetzte – nicht zuletzt auch, um statt der kurzen Saison zur Heideblütenzeit ein ganzjähriges Angebot vorhalten zu können. Dr. Adolf Reinwein gründete am 11. September 1951 den Kneipp-Verein Fallingbostel, der bereits vierzehn Tage später die ersten Fallingbosteler Kneipp-Tage veranstaltete. Mit weiteren Informations- und Werbeabenden wurden Anhänger der Kneippschen Lehre unter den Pensionsinhabern und Ärzten gefunden.
Im März 1952 konnte dann als erstes Kneipp-Sanatorium „Schriebers Hof“ seinen Betrieb aufnehmen. Ihm folgten weitere Sanatorien, die auch von Prominenten wie der Schauspielerin Liselotte Pulver und der Mutter von Hildegard Knef aufgesucht wurden. Die als „Sünderin“ wegen einer kurzen Nacktaufnahme im gleichnamigen Film aus dem Jahr 1951 für Schlagzeilen sorgende Schauspielerin besuchte ihre Mutter und äußerte sich dabei entzückt über Fallingbostel und die schöne Lage des Sanatoriums von Dr. Hartung. Von nicht zu unterschätzender Werbewirkung dürften jene Illustriertenfotos gewesen sein, auf denen Dr. Hartung Hildegard Knef einen Kneippschen Wasserguss verabreichte.
Als das Hotel Köning als letztes Gebäude im Stadtgebiet 14 Jahre nach Kriegsende von den Briten Anfang 1959 freigegeben wurde, war schon eine gewisse Modifikation des Kneipp-Gedankens festzustellen. Das Hotel Köning wurde von der Familie Wiesemann als „Kurhotel“ angelegt, dessen Kneippbadehaus durch einen glasverkleideten Gang mit dem Hauptgebäude in Verbindung stand. Der Gast sollte sich hier nicht in das starre Korsett eines Sanatoriums gezwängt fühlen, sondern frei über seine Zeit und die von ihm gewünschten Anwendungen entscheiden können, also eher Wellness-Urlaub als eine Kur machen.
Gleichwohl verhinderte auch dieser Schritt nicht, dass das Kneipp-Kurwesen an Bedeutung verlor. Glücklicherweise errichtete dann 1975 Eberhard von Graevemeyer ohne staatliche Zuschüsse für 25 Millionen Mark die Klinik Fallingbostel. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Klinik gestand der 96-Jährige: „Ich habe die Klinik mehr oder weniger aus der Lamäng heraus gegründet. Ich habe mir den Acker angeschaut, und dann hat mich der Architekt überzeugt, dass das schon gehen wird.“
Ganz so einfach waren große Bauvorhaben auch vor einem halben Jahrhundert noch nicht umzusetzen. Bereits bei der Beschlussfassung des Stadtrates über die Änderung des Bebauungsplanes Espe-Hamberg und der Ausweisung eines Sondergebiets für Kureinrichtungen im Flächennutzungsplan wurden 1972 Befürchtungen laut, durch die Zulassung einer bis zu sechsgeschossigen Bebauung könne ein „Monumentalgebäude“ entstehen, das in diesem Gebiet wie ein „Pfahl im Fleisch“ und als „Verschandelung“ wirken würde. Der Hinweis, dass der Wald im Hintergrund das Gebäude überragen würde, die Grünfläche größer wäre, als bei Einzelbebauung, und der städtische Zuschussbedarf für den Kurhaushalt von 107.400 DM durch die erwartete zusätzliche Kurtaxeinnahme von der Klinik in Höhe von 60.000 bis 63.000 DM erheblich reduziert werden könne, führten dazu, dass der Beschluss nur mit einer Gegenstimme gefasst wurde.
In Leserbriefen und den von 130 Bürgern im Zuge der öffentlichen Auslegung der Bauleitplanung geäußerten Bedenken und Anregungen regte sich aber weiterhin Kritik. Gefragt wurde: „Wird genügend bedacht, daß solche Beschlüsse das Stadtbild für Generationen festlegen? Soll Fallingbostel wirklich Badeort mit seinem anheimelnden Charakter bleiben, oder soll es eine Kleinstadt werden, eingerahmt mit Großbauten?“ (Leserbrief in der Walsroder Zeitung vom 17. 10. 1972) Statt der Kreisstadt neue Entwicklungsperspektiven zu eröffnen, wollten die Kritiker den Status quo bewahren.
Rat, Verwaltung und Eberhard von Graevemeyer bemühten sich, die Bedenken zu entkräften. Das Klinik-Vorhaben wurde von ihnen als konsequente Weiterführung des zwei Jahrzehnte zuvor eingeschlagenen Wegs zum Kneippkurort gesehen. Gegenüber der Walsroder Zeitung (19.1.1974) erklärte von Graevemeyer, dass gerade das besondere Image, das sich Fallingbostel erworben habe, und der ganze Charakter des Ortes hervorragend geeignet seien, Kranken und Rekonvaleszenten, die aus dem Rheinland, dem Ruhrpott und den großen Städten kommen, ideale Bedingungen zu ihrer Genesung zu bieten. Wenn er an die Anlagen und Einrichtungen denke, die Fallingbostel für den Ferien- und Kneippkurgast geschaffen habe, stelle die Kurklinik eine Fortsetzung dessen dar. Er versicherte, dass die Kurklinik nicht in Konkurrenz zu den privaten Ärzten Fallingbostels stehen werde, sondern dass sie im Gegenteil eine gute Ergänzung der örtlichen ärztlichen Kapazitäten sei. Die Fallingbosteler bat er, das neue Haus auch als ihr Haus anzusehen.
Dieser Wunsch ging mit der Eröffnung des 299-Betten-Hauses im Januar 1975 in Erfüllung. Die Kurklinik wurde von der Walsroder Zeitung als „Stätte der Menschlichkeit, des Heilens und Gesundens“ (Walsroder Zeitung vom 9. 1. 1975) gepriesen. Die Nutzfläche des Klinikgebäudes betrug 12.194 m², die Verkehrsfläche 3.046 m² und der umbaute Raum 58.366 m³. Das Bauvolumen der Kurklinik entsprach damit 100 Einfamilienhäusern von jeweils 150 m² Wohnfläche. Im Erdgeschoß wurden Empfang, Verwaltung, Wartebereich, Aufenthaltsräume mit Ausrichtung auf die Grünzone an der Böhme, Untersuchungsbereich mit acht Arzträumen, Behandlungsbereich, Küche, Wirtschaftsräume und Speiseräume untergebracht. Die Kurklinik verfügte über eine eigene Wäscherei. Über dem Erdgeschoss befanden sich in vier Bettengeschossen 153 Einbett- und 73 Zweibettzimmer. Jedes Zimmer verfügte über ein eigenes Bad mit WC, Dusche und Waschbecken. Modernste Mittel der ärztlichen Versorgung hielt die Kurklinik vor – allein der Röntgenbereich kostete 700.000 DM! In der großen Badeabteilung konnten fast alle denkbaren Anwendungen einschließlich der Kneippschen verabreicht werden. Ein Fitnessraum, eine große Turn- und Sporthalle und ein Hallenbad rundeten das Angebot ab. Konzipiert wurde die Klinik für die Vorsorgebehandlung, die Nachbehandlung und die Rehabilitation Herz- und Kreislaufkranker, deren Zahl von Jahr zu Jahr gewachsen war.
Zwar benötigte die Klinik, wie jede Neueröffnung, eine gewisse Anlaufzeit, aber schon im Hnblick auf das fünfjährige Bestehen konnte Rudolf Klessing in der Walroder Zeitung am 31. 12. 1979 feststellen, dass die Vorhersagen Eberhard von Graevemeyers eingetroffen waren: „Das Haus hat sich bewährt und bei Kostenträgern und Patienten einen hervorragenden Ruf. Es hat den heimischen Arbeitsmarkt spürbar entlastet. Es hat den Kurbetrieb Fallingbostels wesentlich belebt, und es hat den Namen des Kneipp-Heilbades auch dort bekanntgemacht, wo man von unserem Kurort in der Heide bis dahin nichts oder kaum etwas wußte.“
Die Geschäftsführerin Anna Rotter listete eine Reihe von Vorzügen Fallingbostels auf: „Das sei vor allem die gute, emissionsfreie Luft, das seien die großen Grünzonen rund um den Ort, die bis an die Kurklinik heranreichen. Für Herz- und Kreislaufkranke sei das Klima Fallingbostels ideal. Dazu komme die landschaftlich reizvolle Lage des Ortes mit den schönen Spazierwegen. Auf der Haben-Seite stehen auch die Anlagen, vor allem der Kurpark an der Böhme, auch der Sebastian-Kneipp-Platz.“
Allerdings verhehlte Geschäftsführerin Rotter nicht, dass Patienten, wenn sie Fallingbostel mit Bädern wie Oeynhausen, Pyrmont oder Kissingen vergleichen würden, die Atmosphäre und das Flair eines Kurortes vermissen würden. Auch wenn ein solcher Vergleich unpassend sei, hielt sie vermehrte Kommunikationspunkte für erforderlich: „eine Fußgängerzone mit mehr Geschäften und einem Café zum Beispiel. Dazu gehören auch beleuchtete Spazierwege. Gut wäre vor allem ein Kurhaus als Ort geselliger und gesellschaftlicher Veranstaltungen, in dem sich die Patienten und die Einwohnerschaft des Ortes zwanglos begegnen könnten. Das Kurhaus, so habe es in den ersten Verhandlungen mit Fallingbostel geheißen, sollte in absehbarer Zeit gebaut werden. Diese Versicherung habe die Entscheidung von Herrn von Graevemeyer, in Fallingbostel zu bauen, wesentlich mitbestimmt.“
Zwar war das 1966 eingeweihte „Haus des Kurgastes“ auf dem Sebastian-Kneipp-Platz 1977 erweitert worden, doch beschränkte sich sein Angebot auf die Kurverwaltung, die Touristinformation, die medizinische Badeabteilung, die Dachterasse mit Sitz- und Liegemöglichkeiten, einen Fernsehraum sowie die Stadtbücherei mit Leseraum. Es sollte noch bis 1985 dauern, bis im dritten Bauabschnitt mit der Erweiterung durch den 350 Personen fassenden Kursaal mit Restaurant und Kegelbahn endlich das versprochene „Kurhaus“ Wirklichkeit wurde.
Wenn in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens 25.000 Patienten in der sich nun „Fachklinik zur Rehabilitation von Herz- und Kreislauferkrankungen (AHB), Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen, Stoffwechselstörungen“ nennenden Einrichtung behandelt wurden, darf dies nicht zu dem Gedanken verleiten, der Klinik sei ein leichter Start beschieden gewesen. Die Rezession, die nach dem Ölpreisschock die Weltwirtschaft befiel, schlug sich auch in den Patientenzahlen der Klinik nieder. In den ersten Jahren war es nicht möglich, das Haus voll zu belegen. Erst 1980 und 1981 konnte die Belegung als zufriedenstellend bezeichnet werden. Doch das Aufatmen kam zu früh: Das Kostendämpfungsgesetz der Bundesregierung führte zu einem Rückgang der Patientenzahl, die eine Trennung von einigen Klinikmitarbeitern erforderlich machte. Nur durch die Hinzugewinnung von Krankenkassen und Krankenhäusern zu den damaligen Kostenträgern ließ sich eine Aufwärtsentwicklung einleiten, die von 1984 an wieder zu einer befriedigenden Belegung führte. (Walsroder Zeitung vom 12. 1. 1985)
Gesetze und Forschungsresultate sorgten auch im zweiten Jahrzehnt des Klinikbestehens für einen rasanten Wandel. Die Klinik bekam es stets zu spüren, dass in ökonomisch schwachen Zeiten viele Arbeitnehmer aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust zurückhaltend mit Kuranträgen sind. Andererseits hatte sich die Klinik auf neue medizinische Erkenntnisse einzustellen und die notwendigen Investitionen zu tätigen, um auf dem modernsten Stand zu bleiben. Anfang der 1990er Jahre wurde der Klinikkomplex mit einem zusätzlichen Stockwerk versehen, weil sich nur so die Umwandlung von Doppel- in Einzelzimmer und die zusätzliche Schaffung von 75 weiteren Einzelzimmern bewerkstelligen ließen. Die für eine wirtschaftliche Führung des Hauses erforderliche Gesamtbettenzahl änderte sich nicht, bei gleichbleibender Kapazität ließ sich aber eine spürbare Erhöhung der Qualität erreichen. Rund 17 Millionen DM wurden für die verschiedenen Maßnahmen aufgewendet.
Aber auch danach erwies es sich als erforderlich, auf Veränderungen im Gesundheitswesen zu reagieren, wie beispielsweise das Bestreben der Krankenkassen, die Dauer der Kuren zu verkürzen und die von den Patienten geforderte Selbstbeteiligung. „Reform beutelt Klinik vor Ort – Statt Reha lieber den neuen Jogging-Anzug – Aufenthalte werden kürzer – Patienten zahlen bis zu 280 Euro“ lautete die Überschrift in der Walsroder Zeitung am 14. 4. 2004. Nur durch kluges Management, viel Weitsicht und Millioneninvestitionen konnte die Familie von Graevemeyer sicherstellen, dass das Haus stets moderne Medizin bot. So wurden beispielsweise ein neues Verfahrens der Unterdruckbehandlung zur Verbesserung von Durchblutungsstörungen in den Beinen und die Behandlung von Kunstherz-Patienten eingeführt. Nicht minder wurde Wert auf eine den gewandelten Ansprüchen Rechnung tragende Atmosphäre gelegt, um durch dieses Gesamtpaket Rückgänge bei den Belegungszahlen überwinden oder besser noch vermeiden zu können.
Dabei wurde oftmals Neuland betreten, wie beim Aufbau von Kontakten in den arabischen Raum, die zur Schaffung des Bereichs „Internationale Rehabilitation“ führte. Im Oktober 2004 konnte der erste Patient aus den Golfstaaten in Bad Fallingbostel begrüßt werden. Sieben Jahre später unterstützte die Klinik mit der Aufnahme von Patienten aus Libyen die humanitäre Hilfe der Bundesregierung. In der fünften Etage der Klinik entstand eine andere Welt mit arabischer Küche und Gebetsraum.
Auch auf die Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover wurde viel Wert gelegt. So wurde 2007 eine neue Lungen-Abteilung eröffnet, in der Patienten auf eine dann in der MHH vorgenommene Lungentransplantation vorbereitet und nachversorgt werden konnten. Zu ihnen gehörte auch der bekannte Schlagersänger Roland Kaiser. Die Walsroder Zeitung sah darin ein „weltweit einmaliges Projekt“ (16. 9. 2006) und stellte fest, dass damit „ein Stückchen medizinische Geschichte“ in Bad Fallingbostel geschrieben wurde. Später wurden auch Patienten, für die eine Herztransplantation in der MHH vorgesehen war, in der Klinik Fallingbostel betreut.
Am 21. 3. 2019 berichtete die Illustrierte „Stern“ in einer großen, zwanzigseitigen Story wie medizinisch geholfen werden kann: „Wenn das Herz versagt und es nur eine Rettung gibt“ – nämlich eine Transplantation. Ein Jahr lang begleitete der Reporter Dominik Patrik mit dem Fotografen Patrick Junker die Patienten Gerd, Kai, Manfred und Nadja beim Warten auf die Herzverpflanzung in der MHH und die Zeit, die sie davor und danach in der Klinik Fallingbostel verbrachten. Eindrucksvoll wird das Schicksal dieser vier Patienten geschildert und was ihnen der Aufenthalt in der Klinik Fallingbostel bedeutete.
Doch wie es im Gesundheitswesen so ist, nichts bleibt, wie es einmal war. Vorgaben änderten sich, so dass wirtschaftlicher Druck zum Handeln zwang. Die Pneumologie wurde geschlossen und auf Alternativen gesetzt, um perspektivisch andere Patienten zu finden. „Wenn die Seele leidet oder Diabetes plagt“, hieß die Devise beim 45jährigen Bestehen der Klinik (Walsroder Zeitung 7. 1. 2020). Neben der Kardiologie, in der weiterhin auch eine Betreuung nach Herztransplantationen erfolgt, wurden Abteilungen für psychosomatische Rehabilitation und die Behandlung von Diabetes eingerichtet. Dies geschah in der Zeit, als die Corona-Pandemie zu einem Rückgang der „normalen“ Reha-Patienten führte und an Covid-19 leidende Personen in „Reservekrankenhäuser“, darunter auch die Klinik Fallingbostel, verlegt wurden. Nach dem Abflauen der Pandemie wurden dann spezielle Reha-Maßnahmen nach einer Covid-19-Erkrankung entwickelt.
Geschäftsführer Hans-Hinrich Meyer stellte bei der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Wilfried Bissel fest: „Konstante der Klinik ist Veränderung“ (WZ 20. 10. 2010). Daran hat sich nichts geändert – und wird sich auch nichts ändern, denn die Klinik und die Familie von Graevemeyer werden alles daransetzen, die errungene Position zu bewahren und, wo dies möglich ist, auszubauen. Bei aller Veränderung konstant geblieben ist aber die Beziehung der Bad Fallingbostler zur Klinik. Schnell ging der bei der Eröffnung vor 50 Jahren geäußerte Wunsch in Erfüllung, die Fallingbosteler mögen das neue Haus als ihr Haus ansehen. Das tun sie unzweifelhaft seit fünf Jahrzehnten.
Dazu trug sicherlich bei, dass die Anrechnung von Klinikbetten den Erhalt des Status‘ „Kneipp-Heilbad“ sicherte und die Klinikübernachtungen einen sehr beachtlichen Anteil am Gesamtaufkommen des Fremdenverkehrsortes hatten. Zudem hatte sich die Klinik mit den von ihr geschaffenen Arbeitsplätzen von Anfang an als unverzichtbarer Faktor im Wirtschaftsleben der Kreisstadt erwiesen. Nicht allein die große Anzahl von Arbeitsplätzen war wichtig, sondern nicht weniger, dass sich die Klinik den Ruf eines vorbildlichen Arbeitgebers erwarb. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, wurde schon frühzeitig daraufgesetzt, als Arbeitgeber noch attraktiver zu werden, beispielsweise durch flexible Arbeitszeitmodelle und eine betriebliche Ferienbetreuung der Kinder der Beschäftigten. Die Klinik trägt seit vielen Jahren nicht nur das die Familienfreundlichkeit bestätigende FaMi-Siegel, sondern erhielt im November 2024 auch den FaMi-Award als herausragendes Beispiel familienfreundlicher Personalpolitik.
Als „ihr Haus“ betrachteten die Kreisstädter die Klinik auch durch Angebote, die von ihnen genutzt werden können. Nachdem die Klinik bei einer Erweiterung einen Vortragsraum erhalten hatte, fanden hier auch Veranstaltungen der Kurverwaltung statt. Die Vorträge, Lesungen und unterhaltsamen Konzerte richteten sich gleichermaßen an Patienten, Urlaubsgäste und Einheimische. Aber auch Klinik-Ärzte informierten darüber, wie einer Arterienverkalkung vorgebeugt werden konnte. Heute wird dem Bad Fallingbosteler Kneipp-Verein Gelegenheit eingeräumt, in der Klinik Vorträge anzubieten. Bereits 1995 hatten AOK und Klinik Fallingbostel als gemeinsamen neuen Service Entspannungstraining und Wassergymnastik in der Kurklinik angeboten, damit die Pfunde purzeln und Abnehmen Spaß machen konnte. Heute kann die Rheuma-Liga das Schwimmbad für ihre Angebote nutzen.
Besonders hervorzuheben ist die Bereitschaft der Klinik, dem Hospizhaus Dorfmark nach dem großen Wasserschaden Unterkunft gewährt zu haben. Man mag sich gar nicht vorstellen, was aus dieser Einrichtung geworden wäre, wenn es nicht diese unkomplizierte Form der „Nachbarschaftshilfe“ gegeben hätte.
Vor 50 Jahren hat die Klinik Fallingbostel bewiesen, wie sehr sich Bad Fallingbostel als Gesundheitsstandort eignet. Wenn es bei den Baumaßnahmen keine Verzögerungen gibt, wird in gut drei Jahren mit dem Neubau des Heidekreis-Klinikums die Bedeutung der Kreisstadt für die Gesundheitsversorgung weiterwachsen. Es ist davon auszugehen, dass sich beide Einrichtungen gegenseitig befruchten werden und sich eine Entwicklung fortsetzt, die durch den Weitblick der Familie von Graevemeyer und die Bereitschaft, ein erhebliches unternehmerisches Risiko zu tragen, angestoßen wurde. Für die Stadt Bad Fallingbostel war es ein Glücksfall, dass Eberhard von Graevemeyer den Mut hatte, aus einem Acker eine renommierte Reha-Klinik zu machen.