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Archivalie des Monats Juli 2025: Am 2. Juni 1895 wurde die wohl älteste Bildpostkarte mit einem »Gruss aus Fallingbostel« verschickt

Einen Urlaubsgruß per Postkarte zu schicken, kommt angesichts der Möglichkeiten, die die heutigen sozialen Medien bieten, immer mehr aus der Mode. Dabei stellte die Postkarte bei ihrer Einführung eine Revolution dar, die mit der Erfindung der SMS vergleichbar ist. Seit 1870 ermöglichte die Postkarte, schnell und unkompliziert Mitteilungen zu machen, statt zeitaufwändig lange Briefe zu verfassen.

Bild vergrößern: Am 2. Juni 1895 wurde der "Gruss aus Fallingbostel" geschrieben und bei der Post aufgegeben. Es handelt sich um die bisher älteste bekanntgewordene Postkarte mit Fallingbosteler Motiven.
Am 2. Juni 1895 wurde der "Gruss aus Fallingbostel" geschrieben und bei der Post aufgegeben. Es handelt sich um die bisher älteste bekanntgewordene Postkarte mit Fallingbosteler Motiven.

Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Briefe gefaltet und gesiegelt, wie es anhand des von einem Soltauer nach Rethem 1825 geschickten Schreibens nachvollzogen werden kann.

Bild vergrößern: Innenseite des Bogens mit dem eigentlichen Schreiben.
Innenseite des Bogens mit dem eigentlichen Schreiben.

Der Text stand auf der Innenseite des Bogens. Hier handelt es sich nur um eine kurze Mitteilung, amtliche Schreiben und private Korrespondenzen konnten aber auch mehrere Bögen umfassen, die dann beidseitig beschrieben waren.

Bild vergrößern: Vorderseite des Bogens mit den Spuren der Faltung. Die Adresse wurde erst nach dem Versiegeln geschrieben.
Vorderseite des Bogens mit den Spuren der Faltung. Die Adresse wurde erst nach dem Versiegeln geschrieben.

Der Bogen – mitsamt den eventuell vorhandenen weiteren Bögen – wurde dann auf das für Briefe übliche Maß gefaltet undauf der Rückseite mit Wachs gesiegelt.

Bild vergrößern: Die Rückseite des Briefes bei dem der Empfänger das Wachssiegel aufgebrochen hat.
Die Rückseite des Briefes bei dem der Empfänger das Wachssiegel aufgebrochen hat.

Es gab dazu Stäbe aus Wachs, die über einer Kerzenflamme erhitzt wurden, um das Wachs auf den Brief an der Stelle, wo sich die Faltungen überlappten, aufbringen zu können. Anschließend wurde das Amtssiegel oder, soweit bei Privatpersonen vorhanden, das Wappensiegel auf dem Brief eingedrückt.

Bild vergrößern: Empfängerangabe auf der Vorderseite des gefalteten Briefes.
Empfängerangabe auf der Vorderseite des gefalteten Briefes.

Auf der Vorderseite konnte nun der Adressat geschrieben werden. Der Brief wurde anschließend zur Post gegeben. Da die erste deutsche Briefmarke erst 1849 ausgegeben wurde, musste das Porto der Empfänger zahlen.

Familienbriefe waren in jener Zeit oftmals längere Schreiben, boten sie doch die einzige Möglichkeit, innerhalb der oftmals großen Verwandtschaft den Kontakt aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Empfängeradresse nur eine Person nannte, wurden Briefe oftmals auch im Familien- und Freundeskreis vorgelesen oder weitergereicht.

Als auf Initiative des späteren Generalpostmeisters des Deutschen Reichs, Heinrich von Stephan (1831-1897), 1870 die „Korrespondenzkarte“ eingeführt wurde, bot sich erstmals die Möglichkeit, kurze Nachrichten auf einfache Weise zu verschicken. Die Karte hatte anfangs ein Format von 10,8 x 16,3 cm. Eine vorgedruckte Seite war ausschließlich für die Anschrift bestimmt. Nur auf deren Rückseite durften Mitteilungen gemacht werden. Das im Vergleich zu einem Brief günstigere Porto für die Postkarte hatte der Absender zu zahlen.

Fortan brauchten Postkartenschreibende nicht mehr danach streben, sich möglichst eines individuellen Briefstils zu befleißigen, sondern in kurzer Zeit konnten ohne größere Überlegung unter Nutzung der verbreiteten Klischees auf das Wesentliche begrenzte Mitteilungen gemacht, zu Geburtstagen oder Festen gratuliert oder einfach nur ein Lebenszeichen gegeben werden. Diese Eigenschaften der Postkarte nutzten im deutsch-französischen Krieg 1870/71 viele Soldaten und deren Angehörige, die zum Teil in ihrem bisherigen zivilen Leben kaum zu schreiben gebraucht hatten, um in Verbindung zu bleiben. 

Bild vergrößern: Seit 1885 war das "Kaiserliche Postamt" im Pfarrwitwenhaus untergebracht. Heute befindet sich an dieser Stelle die Volksbank-Filiale.
Seit 1885 war das "Kaiserliche Postamt" im Pfarrwitwenhaus untergebracht. Heute befindet sich an dieser Stelle die Volksbank-Filiale.

Weiteren Aufschwung brachte dem neuen Medium die Erfindung der Bildpostkarte. Bei ihr blieb es in den ersten Jahrzehnten dabei, dass eine Seite der Empfängeradresse vorbehalten war und nur auf der Seite mit der Abbildung Mitteilungen und Grüße geschrieben werden durften. Dafür wurde zumeist eine Ecke von Abbildungen ausgespart. Wenn dies den Schreibenden nicht ausreichte, wurden von ihnen auch noch die Ränder rundum beschrieben.

Die vom Walsroder Verlag Georg Gronemann herausgebrachte Postkarte von Anfang 1895 ist entsprechend aufgebaut. Drei Motive sind abgebildet und unterhalb der Zeile „Gruss aus Fallingbostel“ befindet sich die für das Beschreiben freigehaltene Fläche. Sie auszufüllen, reichte schon ein schnell zu schreibendes „Viele herzliche Grüße euch allen“ aus. Im Vergleich zum Aufwand, den ein Brief erfordert hätte, ist dies in der Tat eine Frühform einer SMS. Der Short Message Service der eine Art Kurzmitteilungsdienst darstellenden Bildpostkarte kam in Fremdenverkehrsorten den Gästen entgegen, die so nur wenig Zeit aufwenden mussten, um einer Reihe von Empfängern nicht nur den Aufenthaltsort mitzuteilen, sondern ihm zugleich auch vor Augen zu führen, wie gut man es mit dem Ferienort getroffen hat oder wo man untergekommen war. In einem Brief hätte es schon einiger Mühe bedurft, einen „Blick aus der Lieth“ zu beschreiben, einen Eindruck vom „Hôtel zur Lieth“ (mit dem damals üblichen französischen Accent circonflexe auf dem O) zu geben und die Wirkung des Ensembles von „Kirche und Denkmal“ zu schildern.

Bild vergrößern: Die Fallingbosteler St. Dionysius-Kirche noch ohne den steineren Glockenturm.
Die Fallingbosteler St. Dionysius-Kirche noch ohne den steineren Glockenturm.

Im Mittelpunkt des Ortes befanden sich die Kirche und – wie es korrekter heißen müsste – die Denkmäler. Denn links in der Kirchmauer ist das Denkmal für Oberamtmann Heinrich Guichard von Quintus-Icilius (1798-1861) zu sehen, rechts davon steht auf der Mitte des Kirchplatzes das vom örtlichen Kriegerverein errichtete Denkmal für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges 1870/71. Das Kriegerdenkmal wurde angesichts des wachsenden Straßenverkehrs in den 1920er Jahren versetzt. Heute befindet es sich auf dem Osterberg. Anfang der 1970er-Jahre war dann das Quintus-Denkmal von der Verbreiterung der Ortsdurchfahrt betroffen. Da dafür ein Teil des Kirchberges abgetragen werden musste, wurde das Denkmal ein wenig versetzt und in seiner Blickrichtung um knapp 90 Grad gedreht. Die Mauer des Kirchberges wurde höher und der sich auf der Postkarte zur Kirche hinaufschlängelnde Weg ist heute auch nicht mehr vorhanden.

Beim Betrachten der Kirche drängt sich heute der Gedanke auf: Da fehlt doch was! Aber die Abbildung ist richtig. Denn als die St. Dionysius-Kirche 1784 bei einem verheerenden Brand, dem viele Gebäude in Fallingbostel zum Opfer fielen, zerstört wurde, baute man zunächst nur das Kirchenschiff auf. In einiger Entfernung davon wurde – wie es heute noch bei der Dorfmarker St. Martins-Kirche zu sehen ist – ein hölzerner Glockenturm errichtet. Dadurch sollte verhindert werden, dass bei einem Blitzeinschlag in den Turm ein Brand sich auf die ganze Kirche ausbreiten konnte. Erst 1905 wurde in Fallingbostel ein an das Kirchenschiff angeschlossener steinerner Glockenturm eingeweiht. Damit erhielt die Kirche ihre heutige Gestalt.

Bild vergrößern: Bei einer Promenade in der Lieth eröffneten sich herrliche Ausblicke ins Böhmetal.
Bei einer Promenade in der Lieth eröffneten sich herrliche Ausblicke ins Böhmetal.

Für die Fallingbosteler und ihre Gäste war die Lieth eine besondere Attraktion. Der Lieth-Club hatte hier sein Clubhaus. Er war es auch, der durch die Anlegung von Wegen und Brücken die Lieth überhaupt erst erschlossen hatte. Für die Gäste boten sich neben Wanderungen in der für unsere Verhältnisse mit großen Höhenunterschieden versehenen Waldung auch Kahnpartien auf dem Heidefluss an.

Bild vergrößern: Das "Hôtel zur Lieth" wetteiferte mit dem "Hotel zum Böhmetal" darum, erstes Haus am Platze zu sein.
Das "Hôtel zur Lieth" wetteiferte mit dem "Hotel zum Böhmetal" darum, erstes Haus am Platze zu sein.

Unterkunft konnten die Gäste im „Hôtel zur Lieth“ finden, an dessen Stelle sich heute das Stadthotel befindet. Für den kleinen Ort, in dem 1890 lediglich 910 Einwohner gezählt wurden, stellte das Hotel einen durchaus beachtlichen Beherbergungsbetrieb dar, der sich auch vom gebotenen Komfort her sehen lassen konnte.

Bild vergrößern: Auf der Seite mit der Empfängeranschrift befanden sich die Poststempel für Absendung und Eingang.
Auf der Seite mit der Empfängeranschrift befanden sich die Poststempel für Absendung und Eingang.

Zum Schluss sei noch ein Hinweis auf die damaligen Postverhältnisse erlaubt: Da auf den Postkarten nicht nur der Stempel des Abgängerpostamts, sondern auch derjenige des Empfängerpostamts aufzubringen war, ist dokumentiert, dass die Postkarte schon einen Tag nach der Absendung am 2. Juni im Zielort Goslar am 3. Juni eintraf. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wenn er heutige Brieflaufzeiten zum Vergleich heranzieht…

29.06.2025