Archivalie des Monats Oktober 2025: 15 Bilderbuchtore entschädigten für enttäuschendes Fehlen von Uwe Seeler beim Spiel gegen die Traditionself im Jahr 1987
Die Aufstellung der „Traditionself“ hat die „Verdener Aller-Zeitung“ ausführlich erläutert:
Im Tor stand Wolfgang Kleff, wegen seiner Ähnlichkeit mit dem norddeutschen Blödelbarden nicht nur von seinen Mannschaftskameraden „Otto“ genannt. In Gladbach, Düsseldorf und Bochum stand Kleff zwischen den Pfosten, ehe er bei seinem jetzigen Verein, FC Salmrohr, landete. Vor ihm standen Helmut Kremers, zuletzt bei Schalke 04 und der Hamburger Bernd Wehmeyer. Wolfgang Weber vom 1. FC Köln als Vorstopper gehört bereits zu den älteren Semestern im Team, ließ sich sein Alter aber nicht anmerken. Bernd Cullmann, ebenfalls vom 1. FC Köln, war mit seinen vierzig Länderspielen und 650 Spielen für den FC der richtige Mann für den Liberoposten. Dieter Herzog, bei Bayer Leverkusen die Fußballkarriere beendet, und Bernd Hölzenbein, der „Elfmeterschinder" von Frankfurt und Mitglied der WM-Elf 1974 bildeten die Läuferreihe. Jürgen Grabowski, wohl er größte Fußballer, den die Eintracht aus Frankfurt jemals hervorgebracht hat, sprang in Fallingbostel kurzfristig für Uwe Seeler ein, der leider aus beruflichen Gründen im Ausland weilte – eine kleine Enttäuschung für die 1000 Zuschauer. Entschädigt wurden sie jedoch von Wolfgang Overath, der nichts an fußballerischem Können eingebüßt hat (und seine Trickkiste einige Male öffnete. Der zwanzigmalige Kapitän der Deutschen Nationalmannschaft war die schillernde Persönlichkeit auf dem Platz. Ohne Einsatz in der Nationalmannschaft blieben Reinhold Wosab, der allerdings bereits 1963 Vizepokalsieger und 1966 Europapokalsieger mit Borussia Dortmund wurde, und Bernd Gersdorf, der für Eintracht Braunschweig, Bayern München und Hertha BSC kickte.
Auf Fallingbostler Seite spielten: Leuschner (Kleinert), Plotz, Meyne, Parks, Jakimczyk, Norden, Schuh, Epler, Reinecke, Bierstedt, Lange. Später wurden eingewechselt: Kleinert, Helle, Schielow, A. Jakimczyk, Kuhnert, Erwin.
Schiedsrichter war der Hannoveraner Jan Redels, ein international erfahrener Referee. Dietrich Henken und Bernhard Strodt unterstützten ihn als Linienrichter.
Den Spielverlauf konnte die „Böhme-Zeitung“ kurz zusammenfassen:
Nur ganz zu Beginn des Spiels zeigten die Fallingbosteler Altherren, daß sie auch einiges „drauf“ haben. Jochen Lange knallte kurz nach dem Anpfiff das Leder unhaltbar für Torhüter Kleff ins Netz – gleichzeitig das Ehrentor für die Gastgeber.
Doch dann drehten die Gäste auf, und Fallingbostel bekam „kein Bein mehr an die Erde“. Dreimal Wosab, zweimal Hölzenbein, Overath, Wehmeyer und Grabowski brachten ihr Team bis zur Pause mit 8:1 in Führung.
Nach dem Wechsel schlugen dreimal Overath, Wosab, Herzog, Braun und Hölzenbein zu und stellten den 15:1-Endstand her.
Eine solch hohe Niederlage klingt deprimierend, doch angesichts des Klassenunterschieds etwas anderes zu erwarten, wäre völlig unrealistisch gewesen. Wichtig war dem Reporter der „Walsroder Zeitung“, dass die Fallingbosteler Fußballer tapfer mithielten:
Denn eines ist klar: Hätte diese Mannschaft in den Vorwochen nicht so emsig trainiert, dann wäre die Begegnung mit den Profis von gestern zu einer Riesenblamage geworden. Und wenn es auch am Ende 15:1 für den überragenden Gegner hieß, war das Resultat doch vertretbar. Welcher Zuschauer hätte auch schon gerne auf eines der 15 herrlichen Tore verzichtet? […] Overaths Zauberstücke begeisterten dabei nicht nur die Fans, sondern auch die Fallingbostler Alten Herren, die schließlich nur sogenannte Bilderbuchtore, geradezu unvermeidbare Treffer zuließen. „Kullerdinger“, Tore für die sich jemand schämen mußte, wurden an diesem Abend im Heidmarkstadion nämlich nicht erzielt.
Wie unterschiedlich Fußballer sportlich, geschäftlich und auch menschlich sein können, wurde in der „Walsroder Zeitung“ von „rh“ (Rolf Hillmann) durch die Porträts von Wolfgang Kleff und Wolfgang Overath deutlich gemacht, die einen Großteil der Reportage ausmachen:
Ottos Doppelgänger lebt heute von der Popularität
Wolfgang Kleff: Spaßvogel und Fußballtorwart
Seine Ähnlichkeit mit dem „richtigen“ Otto ist in der Tat frappierend. Und wenn seine Arbeitskollegen auf dem Fußballplatz den Ex-Nationaltorwart Wolfgang Kleff auch noch „Otto“ rufen und dieser mit aller Selbstverständlichkeit auf den Namen reagiert, dann kann der unwissende Zuschauer schon tatsächlich einmal ins Zweifeln kommen: Ist das dort nun der Fußballstar Wolfgang Kleff, oder ist es Otto der Ostfriese? Auch die Fallingbostler Fußballfreunde waren am Freitagabend von „Otto Nummer zwei“, vom Ex-Gladbacher Kleff, angetan. Nicht unbedingt, weil Kleff als Torhüter unter Beweis stellte, daß er zurecht siebenmal das Nationaltrikot getragen hat (dazu bekam er in Fallingbostel zu wenig Gelegenheit), sondern weil dieser Mann zwischen den Pfosten der „Prominentenelf“ spontan auf alle Zurufe reagierte, die die Fans ihm in den Strafraum schleuderten.
Schlagfertigkeit Nummer eins, als er den Treffer zum 1:0 für Fallingbostel schon nach zwei Minuten kassierte und ein Zuschauer gerufen hatte „Wolfgang, das war der erste“. Kleff: „Und der letzte, mein Freund.“ Wenig später, als die ehemaligen Fußballgrößen bereits mit 4:1 führten, rief erneut ein vorwitziger Fan von den Rängen: „Wolfgang, nun ist aber bald mal Schluß.“ Der Torhüter daraufhin: „Warum? Weil du nur bis zehn zählen kannst. Dann mußt du deine Zehen zur Hilfe nehmen.“
Mit Borussia Mönchengladbach hatte Kleff seine erfolgreichsten Jahre erlebt. Mit der „Fohlenelf“ unter Trainer Hennes Weisweiler war er mehrere Male Deutscher Meister geworden, hatte den Deutschen Pokal in die kleine Fußballmetropole Mönchengladbach geholt und an zahlreichen europäischen Wettbewerben teilgenommen. In Fallingbostel suchte Ottos Doppelgänger (oder ist der ostfriesische Komödiant nicht viel eher der Doppelgänger dieses Torwarts?) den Kontakt zum Publikum. Die kleinen Autogrammjäger wurden anstandslos bedient, für jeden hatte Wolf-gang Kleff ein freundliches Wort parat. Es wirkte fast so, als wartete er auf „des Volkes Stimme“, die ihm seinen Bekanntheitsgrad unter Beweis stellte.
In seinem rheinischen Dialekt trieb er selbst in dem Freundschaftsspiel am Freitagabend seine Mannschaftskameraden nach vorn. Allerdings war er nie so konzentriert, daß er nicht auf die Zurufe von außen reagieren konnte: „Wolfgang, geh’ auf die Linie“, schrie ein Zuschauer Anweisungen, und Kleff rief zurück: „Auf welche Linie, auf die Mittellinie?“
Noch im letzten Jahr hatte der zum WM-Kader von 1974 zählende Kleff ein Bundesliga-Tor gehütet. Nach Bochum war „Otto“ geholt worden, nachdem sich Stammtorwart Zumdyck verletzt hatte und auch der Reservetorsteher nicht zur Verfügung stand. Dieser dritte „Profifrühling“ währte aber nicht lange. Kleff gab dann noch ein kurzes Gastspiel beim Zweitligisten Salmrohr, doch schon dieser Abstieg, vom WM-Teilnehmer und Deutschen Meister zum Torwart des Schlußlichts der zweiten Bundesliga, machte damals stutzig.
Auf die Frage, was Wolfgang Kleff denn heute macht, gab’s die kurze Anwort: „Nichts Festes. Die meisten Ex- Profis arbeiten als Repräsentanten von Sportfirmen, sind Versicherungsvertreter oder aber haben sich selbstständig gemacht.“ Und weiter: „Man lebt von den Bekanntschaften, die man während seiner Aktivenlaufbahn geknüpft hat“, beschrieb er seinen heutigen Broterwerb. Ob man davon existieren kann, von der ehemaligen Popularität, wurde noch gefragt, doch auf diese Frage gab es keine Antwort mehr, denn Kleff war soeben einem Fallingbostler Angreifer entgegengestürmt. Und auch gleich nach der Rückkehr zwischen die Pfosten ließ er diese (unangenehme?) Frage unbeantwortet.
Kleff war eben, wie es „torwart.de“ anlässlich des 70. Geburtstages des 1946 Geborenen feststellte, „offensichtlich kein gewöhnlicher Profi“. Manches in seinem Leben ging schief, Geschäftsvorhaben scheiterten und gesundheitlich geriet er in schwere Krisen. Er hatte einen Schlaganfall und litt unter so schweren Herzproblemen, dass ihm ein Mini-Defibrillator in die Brust eingesetzt werden musste. 2021 brach er aufgrund einer Corona-Infektion in in seiner Wohnung hilflos zusammen. 16 Tage lag er im Krankenhaus. Die ersten zwei Tage wußte er nicht einmal, wer er war. Nur langsam kam er nach der Entlassung wieder zu Kräften.
Kleff gehörte nicht zu den Fußballprofis, die es verstanden, nach ihrem Karriereende durch Werbeverträge oder andere das große Geld zu machen. Doch er hatte schon 2016 gesagt: „Aber ich will mich nicht beklagen. Einen 500er-Mercedes werde ich mir wohl nicht mehr leisten können, aber den hätte ich eh nicht gefahren.“ Den aber besaß Wolfgang Overrath, wie aus dem Porträt in der „Walsroder Zeitung‘“ hervorgeht. Der 1943 geborene Overrath arbeitete nach Beendigung seiner Spielerkarriere als Repräsentant für „adidas“ und war von 2004 bis 2011 Präsident des 1. FC Köln. Er gründete einen Fonds für Hilfsbedürftige und ist seit 2014 der bekanntester Sportler, der die Kampagne „Bewegung gegen Krebs“ unterstützt.
Nicht nur als Fußballer eine echte Persönlichkeit
Der vielbeschäftigte Wolfgang Overath
Bei der Fußballweltmeisterschaft 1974, als die Bundesrepublik Deutschland die beste Mannschaft der Welt stellte, war Wolfgang Overath am Höhepunkt seiner Karriere angekommen. Der 81-fache Nationalspieler, Mannschaftsführer und „Kopf“ des damaligen Erfolgsteams war – zusammen mit anderen Ex-Größen des deutschen Profifußballs – am Freitagabend Gast in Fallingbostel. Die Persönlichkeit, die er als glänzender Techniker und „Spielmacher“ auf dem Fußballrasen ausstrahlt, diese Persönlichkeit besitzt Overath auch als Gesprächspartner. Sein Besuch in der Kreisstadt begann am Freitag mit einem Verlust, denn kaum im Heidmarkstadion angekommen, sah man ihn suchend umherlaufen, die Augen immer auf den Fußboden gerichtet. Der Grund: Wolfgang Overath hatte sein Schlüsselbund verloren. Und da er mit dem Etui auch den Schlüssel zu seiner Nobelkarosse (500er Mercedes) verloren hatte, suchten schon bald nicht mehr zwei, sondern gut und gerne 20 Augen nach dem kostbaren Metallstück. So ist das nun einmal, wenn man berühmt ist.
Der Ex-Kölner Bundesligafußballer ist heute ein echter „Geldmensch“, was nichts über seinen Charakter aussagen soll. Overath repräsentiert eine Sportmittelfirma, die mit den drei weißen Streifen auf ihren Produkten mindestens so bekannt ist, wie ihr „erster“ Repräsentant im westdeutschen Raum. Da die Prominentenmannschaft, die am Freitag gegen eine Fallingbostler Altherren-Elf spielte, schließlich eine hübsche Summe (man sprach hinter vorgehaltener Hand von 15 000 Mark) für ihren Auftritt bekam, lag die Frage nahe, ob es sich bei solchen Spielchen nicht um einen recht netten Nebenverdienst handeln würde. Doch diese Frage traf bei Wolfgang Overath auf wenig Gegenliebe, denn seine Antwort war schlicht und einfach: „Ich hab' es nicht mehr nötig, für Geld Fußball zu spielen. Ich spiele nur noch aus Spaß an der Sache.“
Zusammen mit Uwe Seeler und einer Firma auf dem Baustoffsektor arrangiert Wolfgang Overath sogenannte „Prominentenspiele“, die auch häufig zu guten Zwecken veranstaltet werden. Am Freitag erinnerte Overath an eine Mexiko-Reise vor drei Monaten, die zugunsten der Erdbebenopfer zustande kam. „Damals haben wir 140000 Zuschauer ins Stadion gelockt“, unterstrich der Fußballregisseur seinen Erfolg bei guten Taten. Neben den Einsätzen in der Prominentenelf kommt Overath kaum noch zum Sport. „Manchmal ein bißchen Jogging, aber zu mehr fehlt einfach die Zeit.“ Vom Fußball- auf den Tennisplatz ist der Kölner übrigens noch nicht übergewechselt, wie es viele andere Ex-Profis vor ihm taten.
Unterschiede zum Profifußball seiner Zeit sieht Wolfgang Overath in jedem Falle. „Das Spiel ist ahtletischer, kraft- und kampfbetonter geworden“, beschreibt er. „Dadurch geht das Spielerische, die ästhetische Kompetente verloren“, klingt es etwas resignierend. Mit großem Bedauern beobachtet Overath den Mangel an sogenannten Spielerpersönlichkeiten, wie er selbst einmal eine war. „17-, 18-jährige Talente werden in eine durch-und-durchtrainierte Mannschaft gesteckt und müssen sich bewähren. Wie sollen dann noch große Individualisten reifen? Den jungen, wirklich guten Nachwuchsspielern wird heute einfach zu wenig Zeit gegeben, um sich zu entwickeln“, kritisiert der ehemalige Nationalspieler und Weltmeister heutige Zustände.
Am Freitagabend, als 1000 seiner Fans in Fallingbostel auf ihn warteten, kam Wolfgang Overath, zog sich sein Fußballdress an, spielte und … siegte. Verlernt, so bekam man schon bald das Gefühl, hatte dieser Mann nichts, aber auch garnichts. Die zweite Halbzeit war zweifellos die Halbzeit des Wolfgang Overath, in der er drei Tore selbst schoß und nochmal soviele vorbereitete. Nach dem Schlußpfiff eilte Overath in die Kabine, griff sich einen Klumpen Eis, kühlte sein Knie, beantwortete die Pressefragen und verschwand schnell mit seiner Karosse in Richtung Autobahn. Zum Empfang oben im Vereinsheim blieb dem Vielbeschäftigten weiß Gott keine Zeit.
Alle zitierten Zeitungsberichte erschienen am Montag, dem 14. September 1987.