Archivalie des Monats September 2023: Wie in Riepe in alter Zeit Hochzeit gefeiert wurde
Eine Hochzeit ist, so sagt man, der schönste Tag im Leben. Oftmals wird beträchtlicher Aufwand betrieben, um eine Traumhochzeit zu feiern. Vor hundert Jahren war auf dem Lande die Hochzeit auch die aufwendigste Feier, die man kannte. Wie damals gefeiert wurde, beschreibt Hermann Bartels in seiner 1925 erschienenen „Geschichte der Schulgemeinde Woltem-Riepe und ihrer Familien“.
In ganz besonderer Weise feierte man auch die Hochzeiten. Infolge der großen Verwandtschaft und Gastfreiheit der Niedersachsen waren Bauernhochzeiten mit 300 bis 400 Gästen in der Regel üblich. Die Gäste wurden eingeladen durch den Kössenbidder. Derselbe erschien zu Fuß oder zu Pferde und lud zur Hochzeit ein. Vor dem Hause schoß er zwei Schüsse ab, trat dann hinein ohne Gruß und brachte seine Einladung in Form eines Gedichtes an. Ein solches Kössenbidder-Gedicht, welches hier viel gesprochen wurde, sei an dieser Stelle wiedergegeben:
Hier tret ich her mit kleinem Gewehr,
Zur Hochzeit bitten ist mein Begehr.
Heut morgen bin ich ausgesandt
Von wegen Braut und Bräutigam.
Der ehr- und achtbare Junggeselle N. N.,
Die ehr- und tugendsame Jungfrau X. X.
Lassen freundlich bitten und grüßen,
Und einladen zum Hochzeitsmahl.
Dazu wird geschlachtet und gebacken,
Gebraten und gebraut.
5 fette Ochsen, 10 fette Schweine,
30 fette Hämmelein,
An Federvieh soll auch kein Mangel sein.
10 Tonnen Bier, 10 Tonnen Wein,
20 Anker Branntwein. Hipphopp!
Das Brautpaar läßt noch absonderlich bitten
Als die Kranzjungfer hier im Haus N. N.
Sie sollte sich tragen und schmücken fein,
Auf ihrem Kopf ein Kränzelein,
Worin vergüldete Blumen sein.
Die Bluse blank, die Schürze schlank
Am Leib entlang,
Aber nicht länger as bit up dai Schauh,
Dat anner hingt doch in'n Dreck. Hipphopp!
Der Kössenbidder trug einen Dreispitz auf dem Kopfe, den hinten eine stattliche Anzahl lange, bunte, seidene Bänder zierten und den die erworbenen Taler schmückten. Die beiden ersten Taler und Bänder mußten Braut und Bräutigam ihm stiften. In jedem Hause, in dem er seine Einladung vorbrachte und in dem ein junges Mädchen als Kranzjungfer geladen wurde, mußte dieses ein neues Band der Fülle seines Schmuckes hinzufügen und anheften. Als Entgelt für die überbrachte Einladung erhielt er im meisten Falle einen Taler. Er ließ denselben an seinem Hut festnähen, dergestalt, daß die Taler in Form eines oder zweier Ringe den Hut umgaben.
Die Feierlichkeiten begannen mit dem Einbringen des Kistenpfandes. Am Donnerstag kam dasselbe an. Der Kössenbidder hatte dieses mit geholt. Nachdem alle Wagen auf dem Hofe angelangt waren, wobei lebhaft geschossen wurde, stieg der Kössenbidder als einziger vom Wagen, ging ins Haus und meldete:
Wir kommen gefahren, fürwahr gejagt
Durch Busch und Brack, durch Dreck und Marraß,
Daß uns das Herz im Leibe knackt. Hipphopp.
Wir haben geladen viel Kasten und Kisten,
Es darf fürwahr keine Maus drin nisten.
Wir haben geladen viel Eisen und Stahl,
Dafür gebührt uns eine gute, kühle Kuschal.
Hipphopp.
Dann bestieg er wieder den Wagen. Es wurde nun der Willkommenstrunk herumgereicht, eine große Schale mit Punsch. War sie geleert, stiegen alle ab, die letzten Schüsse verhallten und das Unterbringen des Kistenpfandes begann. Die Nachbarn waren dazu geladen worden und halfen die Gegenstände an Ort und Stelle bringen.
Am Donnerstag abend war Polterabend. Das Poltern war seiner Zeit hier nicht üblich, dagegen vergnügten sich die jungen Männer am Pistolenschießen. Die Nachbarn und Eingeladenen aus dem Dorfe lieferten Hühner, Butter und Eier, die am Polterabend gebracht wurden. Dies nannte man Hahnentrecken, da gewöhnlich ein Hahn gegeben würde. Nachdem jedes Mädchen im Hochzeitshause das gebrachte Huhn gerupft, sich an Speise und Trank erquickt hatte, ging es ans Kartoffelschälen, während die Jungmänner die Diele mit Tannen-, Birken- und Eichengrün schmückten.
Der eigentliche Hochzeitstag war der Freitag. Am Morgen fuhr das junge Paar zur Trauung. Der Braut wurde gegen Erstattung einer Gebühr von der Frau Pastorin der Brautkranz aufgesetzt. Es war dieser Brautkranz ein hoher, aus bunten Perlen gearbeiteter, kostspieliger Kranz, der an Stelle des Schleiers hinten eine Fülle etwa 50 Zentimeter langer silberner Schnüre aufwies. Da er für den Einzelnen zu teuer war, hatte die Frau Pastorin einen solchen im Besitze, welchen sie leihweise hergab. Bei großen Hochzeiten fuhren mehrere Wagen mit nach der Kirche. Kam die Braut aus einem anderen Dorfe, traf sich das junge Paar erst im Kirchdorfe. Trat das junge Paar vor den Altar, legte die Braut ein Opfergeld auf denselben, ging mit ihren Kranzjungfern um den Altar und stellte sich dann zu ihrem Bräutigam. Gesungen wurde stets der Gesang Nr. 1008 aus dem alten Lüneburger Gesangbuche: „Wie herrlich leucht't der Gnadenstern".
Auf der Heimfahrt fuhr die Braut dann vorauf. Es war aber unbedingt nötig, daß der Bräutigamwagen den Brautwagen überholte, damit der Bräutigam als erster auf dem Hofe ankam. Dabei fand oft ein tolles und gefährliches Wettfahren statt. Fuhr der Brautwagen nach der Kirche, erhielt der erste Schäfer, der mit seiner Herde demselben begegnete, von der Braut den Brautapfel zugeworfen. Es war dieses ein Apfel, welcher mit einigen Geldstücken gespickt war. Wie erwähnt, mußte eigentlich ein Schäfer der Empfänger sein. War dieser Fall nicht möglich, bekam die erste ihm begegnende männliche Person den Apfel. Auch war es Brauch, auf dem Wege zur Kirche von den Hochzeitswagen Jahreskuchen abzuwerfen, die in erster Linie für die Kinder bestimmt waren, welche dem Hochzeitszug am Wege zujubelten. Diese Jahreskuchen wurden in eisernen Formen gebacken. Jeder Hof besaß sein besonderes Jahreskucheneisen mit seinen eigenen Zeichen, besonderen Bildern, Sprüchen oder seinem Wappen. Die Jahreskuchen maßen 12 bis 30 Zentimeter im Durchmesser und einen Zentimeter in der Dicke. Sie waren zähe und geschmackvoll. Wegen ihrer schönen Buntheit wurden sie von den Kindern gern genommen. Jedes Kranzmädchen, welches zur Hochzeit eingeladen worden war, buk diese Jahreskuchen. Dieselben bestanden aus Zucker, Sirup und Buchweizenmehl. Man tat sie in ein weißes Tuch und verteilte sie auf dem Wege zum Hochzeitshaus oder, wie bereits erwähnt, auf dem Kirchwege. Die Sitte des Schnürens war damals auch schon üblich. Auf dem Kirchwege wurde kräftig geschossen. Kam der Hochzeitszug von der Kirche zurück, wurde er mit lebhaftem Pistolenschießen begrüßt, daß oftmals die Pferde scheuten, wobei auch Unglücksfälle vorkamen. Wurde die Schießerei zu schlimm, soll es vorgekommen sein, daß jemand, der es vermochte, den Schuß bannte. „Dör will ick'n Knutten inslan", pflegte man zu sagen. Dann ging der Schuß nicht los. Ebenfalls legten die Gäste aus den Nachbardörfern den Weg zum Hochzeitshause unter Pistolenschießen zurück.
Bei der Ankunft auf dem Hofe reichte die Mutter, Schwiegermutter oder eine andere nahe Verwandte dem jungen Paare ein Glas Wein, welches, nachdem es geleert war, nach rückwärts über den Kopf weg zur Erde geworfen wurde. Es mußte zerschellen, sonst war den Neuvermählten das Glück nicht hold. Nun ging es zu Tisch. Die Musik spielte: „Bis hierher hat mich Gott gebracht", am Schlusse der Mahlzeit: „Nun danket alle Gott".
Auf der Diele wurde die Hauptmahlzeit eingenommen. Vor dem Brautpaare stand die Brautbutter, Huhn mit Küken aus Butter geformt. Man speiste von hölzernen Tellern, Messer und Gabel mußte sich jeder Gast mitbringen, daher das Sprichwort: „Hett sien Mest vergäten, hett sien Mund vergäten".
Nachdem der Tanz ein Weilchen im Gange war, begannen die Ehrentänze. Das junge Ehepaar nahm oben bei der Musik auf der Diele Platz. Der Pastor führte als erster die junge Frau einige Male auf dem Saale herum. Die nächsten Verwandten tanzten nun mit der jungen Frau. Jeder hatte zwei Ehrentänze, im Durchschnitt gab jeder Tänzer der Musik einen Taler, den er klingend in einen vor den Musikanten auf einem Tische stehenden Teller warf. Hierin ist die Erklärung der Redensart: „Hett 'n Daler springen laten" zu suchen. Bei großen Hochzeiten brachten diese Ehrentänze den Musikanten eine stattliche Einnahme. Außer Getränken, in erster Linie Bier und Branntwein, gab es auch Tabak nebst Pfeifen unentgeltlich. Auf einem Tische stand ein großes Gefäß mit Tonpfeifen, in einem anderen befand sich der Tabak. Jeder konnte nach Belieben rauchen und sich eine Pfeife nehmen, wenn er nicht vorzog, seine eigene zu verwenden. Während sich die junge Welt am Tanz vergnügte, ergötzten sich die Alten am Kartenspiel, wobei oft recht hohe Einsätze üblich waren. Selten hatten unsere Alten Gelegenheit, Feste zu feiern. War ihnen solches aber einmal vergönnt, offenbarten sie eine urwüchsige Kraft und Lebenslust. Oftmals dauerte eine Hochzeit drei oder vier Tage. Die fremden Gäste fanden Schlafgelegenheit bei den Dorfleuten oder man quartierte sie auf einem Speicher ein. Eine Strohunterlage mit daraufgelegten Bettstücken war die Lagerstatt.
Im Anschluß hieran sei noch die Verlobung oder Verschreibung erwähnt. Wenn die Brautleute Verschreibung hielten, erschienen im Bräutigams- oder im Brauthause die Brautleute, die beiderseitigen Eltern, Geschwister, die nächsten Verwandten und getreue Freunde, um den Eheverschreibungskontrakt aufzusetzen. Dabei ging es oftmals nicht ganz glatt und reibungslos zu, bevor eine allgemeine Einigung erreicht war. Eine besondere Feier fand hierbei nicht statt.